Das Geheimnis eines langen Lebens
Nicht allein Gene bestimmen die Gesundheit. Unsere Verantwortung wiegt schwerer, sagt Wissenschaftsautor Peter Spork.
SAARBRÜCKEN Wenn Mediziner flapsig vom „Tödlichen Quartett“sprechen, dann meinen sie damit die Kombination aus Übergewicht, erhöhten Blutfettwerten, Bluthochdruck und Blutzucker, die vielen Menschen zu schaffen macht. Das medizinisch korrekt als „Metabolisches Syndrom“bezeichnete Quartett verkürzt das Leben. Es führt zu Diabetes, Arteriosklerose, Herzinfarkt, Schlaganfall – und wahrscheinlich auch zu Alzheimer. Da die Deutschen immer dicker werden – über die Hälfte hat Übergewicht – nimmt das Risiko stetig zu. Schon Kinder sind betroffen – drei Prozent der unter Fünfjährigen gelten bereits als krankhaft dick.
Die Auslöser dieser „Seuche“sind zwar im Prinzip bekannt, doch weil die Medizin die molekularbiologischen Prozesse der Krankheit noch nicht im Detail verstanden hat, tut sie sich mit Behandlungsstrategien noch schwer. Zwei Effekte galten bisher als entscheidend: bestimmte Gen-Varianten in unserem Erbgut und Umwelteinflüsse. Doch es gibt einen dritten, möglicherweise entscheidenden Faktor, schreibt der Wissenschaftsautor Peter Spork: die Epigenetik.
Dieser Fachausdruck der Biologie beschreibt einen Regulationsmechanismus aller Körperzellen, der die Aktivität der Gene steuert. Epigenetische Regler lenken in einem Embryo die Entwicklung der Stammzellen zu den über 200 Arten von spezialisierten Körperzellen. Bei Erwachsenen regulieren sie die Aktivität der Gene in den Zellen und beeinflussen so den Stoffwechsel. Das bedeutet in letzter Konsequenz, dass dieses Steuerprogramm des Erbguts, Fachausdruck Epigenom, Krankheiten sowohl verhindern als auch auslösen kann.
Das Entscheidende ist nun, schreibt Peter Spork, dass das Epignom nicht nur unmittelbar auf Umwelteinflüsse reagieren kann. Es besitzt ein Gedächtnis, es speichert also einmal erworbene Informationen. Hier sieht der Autor den Schlüssel zum Verständnis der drängendsten Probleme der modernen Medizin. In seinem neuen Buch „Gesundheit ist kein Zufall“erläutert Peter Spork, der die seltene Gabe besitzt, hochkomplexe Themen allgemeinverständlich zu erklären, wie wir uns dieses Wissen zunutze machen und dem „Tödlichen Quartett“Contra geben können.
Was ist Gesundheit? Für Peter Spork ist sie mehr als nur ein Zustand, der die Abwesenheit von Krankheit beschreibt. Gesundheit ist ein Prozess, den jeder Mensch jeden Tag in gewissen Grenzen selbst beeinflussen kann. Große Auswirkungen haben Stress, die Ernährung und – das ist ganz entscheidend – sportliche Aktivität. Sie beeinflussten das Risiko vieler sogenannter multifaktorieller Krankheiten, vor allem der typischen Zivilisationsleiden.
Das Diabetes-Risiko sei zum Beispiel nur zu zehn Prozent allein von den Genen bestimmt, selbst Unterschiede der Lebenserwartung gingen nach heutigen Stand des Wissens nur zu einem Viertel auf direkte Einflüsse des Erbguts zurück. Für den großen Rest seien epigenetische Prozesse verantwortlich, schreibt Spork. Wie biochemische Steuerprozesse der Körperzellen funktionieren, wie sie durch den Lebensstil beeinflusst werden und welche Auswirkung das auf die Gesundheit hat, erklärt der Autor auf über 400 Seiten in allgemeinverständlicher Sprache. Werdende Eltern und Paare, die sich ein Kind wünschen, sollten sich die letzten Kapitel dieses Buches genau durchlesen. Hier geht Spork auf allerneueste Erkenntnisse zu möglicherweise Generationen übergreifenden Wirkungen epigenetischer Regler im Erbgut ein.
Mittlerweile sei die lange Zeit unter Molekularbiologen vorherrschende Vorstellung ins Wanken geraten, bei der Zeugung von Nachwuchs werde zwangsläufig das gesamte Steuerprogramm im Erbgut von Ei- und Samenzelle zurückgesetzt – das werdende Leben beginne also im Moment der Zeugung epigenetisch gesehen gewissermaßen bei Null. Es mehrten sich dagegen Hinweise, dass epigenetische Regler weitergegeben werden können und möglicherweise über mehrere Generationen hinweg wirksam sind. In jedem Fall habe der Lebensstil der Eltern nicht nur während der Schwangerschaft, sondern bereits Monate vor der Zeugung ihres Nachwuchses Einfluss auf dessen Lebenserwartung und Gesundheit. Peter Spork: „Gesundheitsprävention beginnt sehr wahrscheinlich schon in dem Moment, in dem Eltern sich ernsthaft ein Kind wünschen.“.............................................