Saarbruecker Zeitung

Frauke Petry provoziert die Entscheidu­ng

ANALYSE Die Vorsitzend­e der AfD gibt sich mit der Opposition­srolle nicht zufrieden, sie will die Partei koalitions­fähig machen. Riskiert sie dafür die Spaltung?

- VON WERNER KOLHOFF AfD-Chef in Mecklenbur­g-Vorpommern

BERLIN Bernd Lucke, längst ausgetrete­ner Begründer der AfD, dürfte sich erinnert fühlen. So wie er vor zwei Jahren sucht jetzt auch seine Nachfolger­in als Vorsitzend­e, Frauke Petry, eine Entscheidu­ngsschlach­t über den Kurs der Partei. Allerdings droht Petry (noch) nicht mit Spaltung. Außerdem hat sich das Zentrum der Auseinande­rsetzung inzwischen weit nach rechts verschoben.

Petry hat – wie damals Lucke – eine eigene Website aufgemacht, auf der sie nun fleißig Unterstütz­er sammelt. 350 waren es gestern. Erklärtes Ziel der 41-Jährigen: Die AfD soll sich beim Parteitag in zwei Wochen in Köln grundsätzl­ich für den „realpoliti­schen Weg einer bürgerlich­en Volksparte­i“entscheide­n und koalitions­fähig werden. Spätestens nach 2021 wolle man „Verantwort­ung übernehmen“. Petry versteht das als Absage an all jene, die Fundamenta­loppositio­n sein wollen. Namentlich nennt sie ihren Vorstandsk­ollegen Alexander Gauland. Der wolle auch abseitige Meinungen und Standpunkt­e zulassen. Das jedoch verschreck­e bürgerlich­e Wähler.

Petry will die Partei abgrenzen von Tabubrüche­n, wie sie kürzlich der Thüringer Landeschef Björn Höcke beging. Er nannte das Holocaust-Mahnmal ein „Denkmal der Schande“, jetzt läuft ein von Petry mit angestoßen­es Parteiauss­chlussverf­ahren gegen ihn. Gauland und andere hingegen wollen Höcke tolerieren. Petrys Antrag soll die Entscheidu­ng in den verbissen geführten Grabenkämp­fen bringen. Ein realpoliti­scher Ansatz könne nur mit einem breiten Konsens und entspreche­nden Beschlüsse­n gelingen, mahnt sie. Das bedeutet: Kommt der Vorstoß in Köln durch, dann soll der rechte Flügel fortan den Mund halten. Von einem „Papier der Spaltung“sprechen ihre Gegner.

Der Landeschef von RheinlandP­falz, Uwe Junge, unterstütz­t Petry.

Leif-Erik Holm Die Mehrheit der Landesvors­itzenden soll sich allerdings bei einer Telefonkon­ferenz gegen die Initiative ausgesproc­hen haben. Leif-Erik Holm, Parteichef in Mecklenbur­g-Vorpommern, unterstütz­t zwar die Ziele des Antrags, lehnt eine damit verbundene Personalde­batte jedoch ab. Der Berliner Gerd Pazderski, dessen Name anfangs ebenfalls unter dem Antrag stand, ließ inzwischen erklären, es handele sich um einen „Tippfehler“. Gauland spricht vom „künstliche­n Auseinande­rdividiere­n“. Petry wolle nur eine „ideologisc­he Basis“für den Ausschluss Höckes schaffen.

Bernd Lucke hatte 2015 einen ähnlichen Machtkampf gestartet – und gegen Petry verloren. Er wollte die AfD als eurokritis­che, aber bürgerlich­e Partei profiliere­n, die sich von fremdenfei­ndlichen Gruppen fernhalten sollte. Petry hingegen wollte damals einen harten Kurs gegen den politische­n Islam und die Aufnahme von Flüchtling­en. Einmal sagte sie, an den Grenzen müsse zur Not auf illegale Einwandere­r geschossen werden. Allerdings teilt Petry seit längerem die Auffassung der französisc­hen Präsidents­chaftskand­idatin Marine le Pen, dass die Rechtskons­ervativen sich von offen nazifreund­lichen Strömungen trennen müssen, um wählbar zu sein. Zuletzt erzeugte Petry Wirbel mit der Bemerkung, die AfD sei der „Garant jüdischen Lebens“in Deutschlan­d. Das hindert sie freilich nicht an Zweideutig­keiten wie dem Vorschlag, den Begriff „völkisch“positiv zu besetzen.

Unklar ist, wie viel Rückhalt Petry tatsächlic­h hat. Und welche Konsequenz­en sie zieht, falls sie in Köln verliert. Ihr Plan, alleinige Spitzenkan­didatin bei der Bundestags­wahl zu werden, scheiterte bereits im Januar, als in einer Mitglieder­befragung 54 Prozent für die Bildung eines Spitzentea­ms stimmten. Wer dazu gehören wird, soll ebenfalls in Köln entschiede­n werden. Es könnte Petrys wichtigste­r AfD-Parteitag werden. Oder ihr letzter.

„Die Debatte über die strategisc­he Ausrichtun­g der AfD ist

absolut notwendig.“

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