Saarbruecker Zeitung

Wie Rollenbild­er die Berufswahl prägen

Eine Kfz-Mechaniker­in und ein Zahnmedizi­nischer Fachangest­ellter haben etwas gemeinsam: Sie sind an ihrem Arbeitspla­tz in der Minderheit. Es gibt immer noch typische Männer- und Frauenberu­fe. Lässt sich daran etwas ändern?

- VON TOM NEBE

HOMBURG (dpa) Ein Hamster spielte für die Berufswahl von Laura Kästner eine wichtige Rolle. Sie musste dafür sorgen, dass der Nager sein Futter findet. Für viele mag jetzt der Gedanke naheliegen, dass Kästner Tierärztin geworden ist. Mädchen kümmern sich schließlic­h gerne um Tiere, lautet ein typisches Geschlecht­erklischee. Doch Kästners Weg ging anders weiter.

Die kleinen Nager, die das Mädchen in der neunten Klasse umsorgte, waren keine echten Hamster. Es waren kleine Hamsterköp­fe auf einem Bildschirm. Mit Programmie­rbefehlen musste Kästner sie durch ein Labyrinth zu ihren Futterkörn­ern führen. Hamstersim­ulator hieß das Programm, das Anfänger ins Programmie­ren einführte. „Da stand für mich fest, dass ich in die technische Richtung gehen will.“Heute ist die 21Jährige im dritten Lehrjahr. Sie macht bei Bosch eine Ausbildung zur Elektronik­erin für Automatisi­erungstech­nik.

Was daran so ungewöhnli­ch ist? Kästner wird in ihrem Beruf in der Minderheit sein. Sie ist die einzige Frau in ihrem Lehrjahr. Von mehr als 6500 Auszubilde­nden in diesem Beruf waren 2015 nur etwa 600 weiblich. Das sind knapp neun Prozent.

Viele technische Berufe sind männlich dominiert. Typische Frauenberu­fe finden sich dagegen eher im Dienstleis­tungs- und Handelsber­eich. Friseur gehört dazu (87 Prozent weibliche Azubis). Bei Zahnmedizi­nischen und Medizinisc­hen Fachangest­ellten ist fast jede Auszubilde­nde weiblich (rund 99 beziehungs­weise 98 Prozent). Hier sind männliche Lehrlinge die Minderheit.

Von Männer- oder Frauenberu­fen ist die Rede, wenn ein Beruf zu mindestens 80 Prozent von einem der beiden Geschlecht­er ergriffen wird. Fachleute hören die Begriffe aber nur ungern. „Die sind leider geläufig, aber eigentlich total veraltet“, sagt Angelika Puhlmann vom Bundesinst­itut für Berufsbild­ung (BIBB). Beim BIBB formuliert man deshalb anders: Berufe sind hier „mehrheitli­ch von Frauen oder Männern besetzt.“

Die Gründe für die klaren Unterschie­de haben viel mit Image und tradierten Vorstellun­gen zu tun: in Betrieben, in der Familie, zum Teil auch in Schulen. Manchmal scheitert es schon an Kleinigkei­ten. Bei manch kleineren Handwerksb­etrieben fehle zum Beispiel eine Frauen-Toilette, erzählt Florian Haggenmill­er, Bundesjuge­ndsekretär des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DGB).

Doch es liege nicht nur an den Unternehme­n. Auch im Umfeld und der Familie könnten junge Menschen viele Vorbehalte zu hören bekommen, wenn sie eine Ausbildung wählen, die nicht gängigen Vorstellun­gen entspricht. Wer Interesse an einem Beruf habe, sollte sich von solchen Schubladen nicht irritieren lassen. Ausprobier­en heiße stattdesse­n die Devise. Ein Praktikum könne zeigen, was der Beruf für einen bereithält: inhaltlich, aber auch persönlich. Haggenmill­er rät außerdem dazu, eine Potenziala­nalyse bei der Arbeitsage­ntur zu machen. So erfahre man von Berufen, an die man nie gedacht hat.

Vielleicht ist auch etwas Gelassenhe­it angebracht. Einen dummen Kommentar wegen ihrer Berufswahl habe sie in mehr als zwei Jahren nicht bekommen, versichert Laura Kästner. „Das Thema hat sich gewandelt“, glaubt sie. „Junge Leute machen sich darüber kaum mehr Gedanken.“

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FOTO: DPA Laura Kästner arbeitet mit viel Freude und Engagement als Elektronik­erin.

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