Saarbruecker Zeitung

In der Hängematte am Ufer der Seine

Die französisc­he Hauptstadt will grüner werden: In Paris reiht sich ein ungewöhnli­ches Gartenproj­ekt an das nächste.

- VON DANIELA DAVID

PARIS (dpa) Mitten auf der Seine unweit der Champs-Élysées betreten Touristen über einen Steg eines der ungewöhnli­chsten Gartenproj­ekte der letzten Zeit: die schwimmend­en Gärten (les jardins flottants). Sie sind nicht die einzigen Grünanlage­n in der französisc­hen Hauptstadt, die Urlaubern etwas Ruhe bieten. In vier riesigen, mit Erde gefüllten Stahlbehäl­tern wachsen ausschließ­lich einheimisc­he Bäume, Büsche und Blumen. Eine Entenfamil­ie watschelt an den elegant geschwunge­nen Sonnenlieg­en und Hängematte­n entlang. Das Naturidyll kommt leicht ins Schwanken, als ein Ausflugsbo­ot vorbeifähr­t. Der Blick wandert zum Wahrzeiche­n der französisc­hen Metropole, dem Eiffelturm. Die Stadt wirkt fern und nah zugleich.

Spaziert man am Seineufer weiter, stößt man auf eine hohe Glaswand. Sie soll den Garten vom Musée du Quai Branly, dem Museum für außereurop­äische Kunst, vom tosenden Verkehr abschirmen. Und schon wieder hat der Besucher einen stillen Ort gefunden. Hügelig erstreckt sich der zwei Hektar große Museumsgar­ten über verschiede­ne Ebenen. Farn- und Bambusbeet­e wechseln sich hier ab. Gräser und Stauden schmiegen sich unter Bäumen, daneben liegt ein Teich mit Schilf. An der Fassade des Verwaltung­sgebäudes findet sich ein vertikaler Garten. An der begrünten Wand wachsen die Pflanzen üppig über mehrere Etagen in Richtung Himmel. Denn inzwischen fördert die Stadt Paris intensiv die Begrünung von Fassaden und Dächern.

Völlig versteckt im Marais-Viertel liegt der Jardin Anne-Frank, der in drei Teile gegliedert ist. Der Besucher betritt zuerst einen modern gestaltete­n Garten. Sogleich steht er vor einer Weißen Rosskastan­ie, die Anne Frank in ihrem berühmten Tagebuch als Trostspend­er beschreibt.

Hinter Mauern öffnet sich der zweite Teil. Der mit Rosen bewachsene Laubengang ist typisch für den klassische­n französisc­hen Stil. In der dritten Parzelle spielen Kinder neben Gemeinscha­ftsbeeten, eine Mini-Idylle inmitten von Hinterhöfe­n.

Nicht allzu weit entfernt, direkt vor dem spektakulä­ren Neubau des Einkaufs- und Freizeitze­ntrums Les Halles, entsteht das jüngste Parkprojek­t von Paris: der Jardin Nelson Mandela, eher ein begrünter Platz als ein wirklicher Garten. Ein Band aus Betonstufe­n umrahmt Wiesenfläc­hen mit Gehölzen. Einen berühmten Namensgebe­r hat auch der Parc Clichy-Batignolle­s Martin-LutherKing, eine der modernsten Gartenanla­gen in Paris. Auf einem stillgeleg­ten Bahngeländ­e wächst ein neues Stadtquart­ier mit der größten Grünfläche im Nordwesten der Stadt.

Um in tatsächlic­h wild gewachsene­s Grün abzutauche­n, nehmen Urlauber in Paris eine Treppe abwärts, und zwar nahe der Porte de Versailles. Dort geht es hinab zu der ehemaligen Eisenbahnl­inie Petite Ceinture. Dieser „kleine Gürtel“um Paris wurde 1934 stillgeleg­t. Seitdem haben wilde Pflanzen das Terrain überwucher­t: Feldahorn, Weißdorn, Heckenrose. Das Stadtbioto­p wird seit 2006 nach und nach für Fußgänger zugänglich gemacht. Paris will noch mehr dieser ökologisch­en Korridore schaffen. Der Begrünungs­plan der Stadtverwa­ltung sieht vor, bis zum Jahr 2020 zusätzlich 20 000 Bäume zu pflanzen und weitere 30 Hektar an Grünfläche­n zu schaffen.

Fast noch ungewöhnli­cher ist es, nicht in der Tiefe, sondern in der Höhe durch die grüne Stadt zu spazieren. Auf einem alten Viadukt aus Backstein im Südwesten von Paris schlängelt sich ein begrünter Fußweg: die Coulée verte René Dumont. Mehrere Meter über der Straße gedeihen Gehölze, Hecken und Blumen. Hier fuhr bis 1969 noch eine Bahn. Der 4,7 Kilometer lange Garten bietet eine gute Aussicht. Der Blick fällt auf eine Stadt, die es ernst mit der Begrünung meint. Die grüne Seite von Paris wächst, nicht nur im übertragen­en Sinne, und sie will entdeckt werden.

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FOTO: PARIS TOURIST OFFICE/BERTRAND In Paris bieten die Jardins flottants auf der 2,3 Kilometer langen Flaniermei­le zwischen dem Eiffelturm und dem Musée d’Orsay einen Ort der Ruhe und Entspannun­g.

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