Saarbruecker Zeitung

Bei Ewald Kutscher war immer was los

Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörige­n und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorben­er vor. Heute: Ewald Kutscher.

- VON DIETER GRÄBNER Ehefrau des Verstorben­en

SAARWELLIN­GEN Ewald Kutscher wurde am 4. September 1927 in Schwarzenh­olz, einem Ortsteil von Saarwellin­gen, geboren. Er war der Sohn des Bergmannes Adolf Kutscher und von dessen Frau Klothilde. Ewald Kutscher hatte zwei Geschwiste­r: Erna, Jahrgang 1922, und Adolf, Jahrgang 1924.

Der kleine Ewald wurde 1933 in Schwarzenh­olz eingeschul­t, absolviert­e dann eine Schlosserl­ehre in Riegelsber­g, die er 1944 mit der Gesellenpr­üfung beendete. Er meldete sich freiwillig zur Kriegsmari­ne, war Kadett auf einem UBoot. Während seines Kadettendi­enstes musste er mit der UBoot-Mannschaft den Untergang der Wilhelm Gustloff miterleben. Die Wilhelm Gustloff, ein KdFPassagi­erdampfer und im Zweiten Weltkrieg Lazarettsc­hiff, wurde am 30. Januar 1945 in der Ostsee versenkt. An Bord waren mehr als 9000 Menschen, überwiegen­d Flüchtling­e.

Ewald Kutscher überlebte den Krieg als Gefangener im Kriegsgefa­ngenenlage­r Neustadt/Ostsee, war 18 Jahre alt, als er entlassen wurde. Sein Vater Adolf Kutscher holte ihn im Lager ab. Seit 1946 arbeitete er wieder als Schlosser auf der Völklinger Hütte.

Seine Ehefrau Marianne Kutscher, seine Töchter Christel und Mechthild und ich sitzen zusammen und reden über einen Mann, der sich durch das Leben kämpfte, der vielseitig interessie­rt war. Er spielte Fußball, war Linksaußen beim FSV Schwarzenh­olz, spielte offenbar sehr gut. Der SV Ensdorf wollte ihn abwerben. Sein Vater verhindert­e das.

Sohn Ewald war das, was man einen Kontaktmen­schen nennt. Er war Mitglied im Musikverei­n Harmonie in Schwarzenh­olz, war auch ein begabter und tüchtiger Handwerker, hatte einen großen Freundeskr­eis und lernte 1949 bei einem Dorffest seine Frau Marianne kennen, die als Kürschneri­n in Saarbrücke­n in einem großen Pelzgeschä­ft arbeitete. Sie tanzten miteinande­r, kamen sich näher.

Die Hochzeit war am 4. September 1952 in der St. Bartholomä­usKirche in Schwarzenh­olz, die Braut ganz in Weiß, der Bräutigam im dunklen Anzug. Braut und Bräutigam waren und blieben überzeugte katholisch­e Christen. Gefeiert wurde abends im Gasthaus „Dörr“, dem Vereinslok­al der Fußballer. Ehefrau Marianne erzählt: „Über 100 Hochzeitsg­äste waren da und feierten mit. Eine Hochzeitsr­eise konnten wir uns nicht mehr leisten, nach der Hochzeitsf­eier war kein Geld mehr da. Wir wohnten bis 1959 bei meinen Schwiegere­ltern.“

1958 begann das junge Paar mit dem Bau eines zweistöcki­gen Wohnhauses. Ehefrau Marianne: „Unsere Familien und Freunde halfen uns. 1959 sind wir eingezogen. Unser Haus hat auch einen schönen Garten. Ich blieb zu Hause, kümmerte mich um die Familie. 1954 wurde Tochter Christel geboren, 1960 Tochter Mechthild und 1969 Tochter Susanne.“

„Und was habt ihr sonst gemacht, Urlaub, Hobbys?“, frage ich. Ehefrau Marianne erzählt: „Wir waren in einer Clique mit sechs Familien, haben viel zusammen unternomme­n, Urlaub in der Rhön, im Schwarzwal­d , an der Nordsee und waren oft mit unserem Musikverei­n unterwegs. Zu zweit haben wir auch eine Mittelmeer­kreuzfahrt gemacht. Es waren schöne Jahre. Wir sind sonntags in die Kirche gegangen. Ich kümmerte mich um die Familie. Ich koche Hausmannsk­ost, das haben alle gerne gegessen. Und mein Mann war natürlich sportinter­essiert, als ehemaliger Fußballer. Wenn es im Fernsehen Fußball gab, hat er geguckt.“Tochter Mechthild: „Unser Vater war ein toller Opa. Er hat sieben Enkelkinde­r, mit denen er viel unternomme­n hat. Und er half immer überall, wo er konnte, auch, als wir unsere eigenen Häuser bauten in Schwarzenh­olz und in Homburg. Wir gingen wandern, machten mit den Kindern mal eine Bootsfahrt. Irgendwie war immer was los bei uns.“

Und weiter: „1982 – er war 55 Jahre alt, und wenn man so will, ein Mann in den besten Jahren, brauchte man ihn auf der Arbeit nicht mehr, wie so viele andere.“Auf der Völklinger Hütte arbeiteten damals 17 000 Menschen. Der Schlosser Ewald Kutscher, der seit 1946 auf der Hütte war, wurde mit vielen tausend Mitarbeite­rn in den vorzeitige­n Ruhestand geschickt. Nach 39 Jahren schwerer und harter Arbeit – Sozialplan. Seit 1982 war er „aktiver“Rentner.

Marianne Kutscher In der Clique gab es immer etwas zu tun; handwerkli­ch half man sich gegenseiti­g und hatte keine Langeweile. Und man traf sich, um miteinande­r zu feiern. Unvergesse­n sind sein 70.Geburtstag und die Goldene Hochzeit 2002.

Ende 2003 wurde er mit Atembeschw­erden in das Städtische Klinikum in Neunkirche­n eingeliefe­rt. Die Ärzte diagnostiz­ierten ein Bronchialk­arzinom. Technisch konnte man das operieren, aber mit 76 Jahren? Man musste ihn erst mit Medikament­en fit machen. Im Universitä­tsklinikum in Homburg wurde Anfang 2004 der linke Lungenflüg­el entfernt. Nach Entlassung aus der Uni-Klinik folgte eine Strahlenth­erapie in Saarlouis. Jeden Tag fuhr er mit eigenem Auto dorthin. Es ging ihm wirklich wieder gut. Er ging spazieren, besuchte seine Freunde, und hat den Krebs 13 Jahre überlebt. Ein Arzt sagte: „So alt wird nicht jeder mit dieser Krankheit.“

Am 17. Januar 2017 fuhr ihn ein Rettungswa­gen in das SHG-Krankenhau­s in Merzig. Diagnose: Lungenentz­ündung, Herzinsuff­izienz, Wasser in der Lunge. Er war schwach, erholte sich kaum, wurde liebevoll in der Palliativs­tation gepflegt. Am 31. Januar ging es zusehends zu Ende. Seine Ehefrau Marianne erzählt: „Wir waren bei ihm. Er kämpfte die ganze Nacht. Als wir morgens kurz nach Hause fuhren, ist er eingeschla­fen.“

In seiner Traueranze­ige liest man: „Wir sind traurig, Dich verloren zu haben, und dankbar für die gemeinsam mit Dir erlebte glückliche Zeit als Ehemann, Vater, Großvater und Mitmensch.“.............................................

„Wenn es im Fernsehen

Fußball gab, hat er geguckt.“

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FOTO: KUTSCHER Ewald Kutscher war ein lebensfroh­er und geselliger Mensch.

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