Trumps zerstörerische Lichtblitze
Der US-Luftangriff gegen die syrische Armee ändert die Lage im Bürgerkrieg. Aber kann er auch Assad stoppen?
Es ist gegen 22 Uhr , als Donald Trump in seinem Domizil in Mar-al-Lago (Florida) an ein Rednerpult mit dem Weißkopfadlerwappen tritt. Er liest vom Teleprompter, kein einziges Mal weicht er ab vom vorbereiteten Text, was sonst nicht seine Art ist. Trump muss nicht nur einen Militärschlag begründen, sondern auch eine Kehrtwende. Baschar alAssad und den „Islamischen Staat“zugleich ins Visier zu nehmen, das wäre verrückt und idiotisch, hatte er noch vor Monaten verkündet. Es war ein typischer Satz für einen Kandidaten, der in nahöstlichen Potentaten Stabilitätsfaktoren sah, jedenfalls keine Störfaktoren, denen Amerika Paroli bieten musste. Was er in der Nacht zum Freitag erklärt, ist das genaue Gegenteil.
Assad, sagt er zu später Stunde in seinem Club, habe das Leben hilfloser Männer, Frauen und Kinder erstickt. „Es war ein langsamer und brutaler Tod für so viele. Selbst wunderschöne Babys wurden grausam ermordet bei dieser barbarischen Attacke. Kein Kind Gottes sollte je solche Schrecken erleiden.“ Er habe einen gezielten Schlag gegen eine Luftwaffenbasis in Syrien angeordnet, sagt Trump. Es liege im nationalen Interesse der Vereinigten Staaten, von der Verbreitung und Anwendung chemischer Waffen abzuschrecken. Vorangegangene Versuche, Assads Verhalten zu ändern, seien gescheitert, „sehr dramatisch gescheitert“. Solange Amerika für Gerechtigkeit einstehe, liest Trump vom Teleprompter, sei zu hoffen, dass Frieden und Harmonie am Ende die Oberhand behalten. „Gute Nacht, Gott schütze Amerika und die ganze Welt.“
Kurz darauf gibt das Pentagon erste Kamerabilder frei. Sie zeigen einen Feuerball, die Silhouette eines Kriegsschiffs, nachts sekundenlang erhellt durch den Lichtblitz. Ab 20.40 Uhr Ostküstenzeit, teilt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums mit, seien von zwei im östlichen Mittelmeer kreuzenden Zerstörern, USS Porter und USS Ross, insgesamt 59 Marschflugkörper abgefeuert worden. Sie hätten Flugzeuge, Flugzeughallen, Benzintanks, Munitionslager und Radaranlagen getroffen.
Der Sprecher, ein Captain namens Jeff Davis, legt Wert auf die Feststellung, dass Russland vorab informiert wurde. Man habe sich eingespielter Kanäle zwischen den Streitkräften beider Länder bedient, um das Risiko für russisches Personal auf der Luftwaffenbasis Al-Schairat zu minimieren. Und darauf geachtet, keine Bereiche des Stützpunkts ins Visier zu nehmen, in denen man russisches Militär vermutet habe.
In erster Linie, zitiert die „New York Times“einen Ministerialbeamten, sei es um eine symbolische Botschaft an Assad gegangen: Die USA würden sich erneut militärischer Gewalt bedienen, falls der Diktator noch einmal zu Giftgas greife. Je öfter man versäume, auf den Einsatz chemischer Waffen zu reagieren, „umso mehr normalisieren wir ihren Gebrauch“, sagte Außenminister Rex Tillerson. Es ist eine kaum verhüllte Anspielung auf die „rote Linie“, vor deren Überschreitung Barack Obama einst warnte, um dann doch auf Konsequenzen zu verzichten: Das war im Spätsommer 2013, als Obama eine Militäraktion erst ankündigte und dann abblies. Heute lässt Trump seinen Außenminister herausstellen, was für eine Kluft doch zwischen der alten und der neuen Administration klaffe – hier der Zauderer Obama, dort der Tatmensch Trump. Nächste Woche fliegt Tillerson, Ex-Chef des Ölkonzerns Exxon Mobil, in Russland bestens vernetzt, in heikler Mission nach Moskau. Wladimir Putin hatte ihm einst den „Orden der Freundschaft“verliehen, und ursprünglich sollte der Besuch wohl den Beginn einer Tauwetterphase nach jahrelanger Eiszeit zwischen beiden Staaten markieren. Nun wird sich Tillerson womöglich in Schadensbegrenzung üben.
In Mar-al-Lago redet Trump Tacheles, vielleicht auch, um den Vorwurf zu großer Nähe zum Kreml zu entkräften. Er erinnert daran, dass sich Moskau 2013 im Zuge der abgeblasenen Militäraktion verpflichtete, auf die komplette Vernichtung des syrischen Chemiewaffenarsenals zu achten. Dieser Verantwortung, sagt er, sei es nicht gerecht geworden.