Saarbruecker Zeitung

Der Datensamml­er am Handgelenk

Mit so genannten Fitnesstra­ckern können Sportler ihre Aktivitäte­n aufzeichne­n und auswerten. Es sind insbesonde­re Männer im Alter ab 50 Jahren, die auf diese digitalen Helfer vertrauen.

- VON DAVID SEEL

SAARBRÜCKE­N Sie werden an der Hose oder am Handgelenk getragen und sammeln Daten über unsere täglichen Fitnessakt­ivitäten. Dabei zeichnen sie Puls, Körpergewi­cht, Schlafverh­alten oder pro Tag gelaufene Schritte auf und speichern diese Messwerte auf dem Computer oder Smartphone. Die so genannten Aktivitäts­tracker (aus dem Englischen: „to track“, zu Deutsch „verfolgen“) sollen auf diese Weise das Bewusstsei­n für den eigenen Körper stärken, zu mehr Bewegung und einem gesünderen Lebensstil animieren. Aber funktionie­rt das wirklich? Was bringen die gesammelte­n Daten? Wer nutzt die Geräte und wie oft? Welche Daten interessie­ren die Träger der Fitnessarm­bänder besonders?

Diesen Fragen geht Jochen Meyer am Informatik-Institut OFFIS in Oldenburg nach. Sein Team hat über 100 Nutzer dieser Tracker über einen Zeitraum von zweieinhal­b Jahren begleitet. Auf den ersten Blick überrascht, dass es nicht die Altersklas­se der technisch versierten 20-Jährigen ist, die auf die Informatio­nen der Tracker vertrauen: „Digitale Fitnesshel­fer sind vor allem bei Männern über 50 Jahren beliebt." Dass vor allem Männer die Geräte verwenden, könne daran liegen, dass Installati­on und Handhabung eine gewisse Begeisteru­ng für technische Spielereie­n erforderte­n, so der Informatik­er.

Laut Meyer messen die Nutzer am häufigsten, wie viele Schritte sie am Tag zurücklege­n. Auch ihr Gewicht behalten viele im Auge. Wer sich Gedanken über seine Gesundheit mache, zeichne zusätzlich die Atemfreque­nz oder den Herzschlag im Schlaf und generelle Schlafmust­er auf. Insgesamt seien spezialisi­erte Geräte für die Messung viel beliebter als Apps für das Smartphone: „Das Fitnessarm­band trägt man immer, das Smartphone lässt man schon mal auf dem Tisch liegen“, so die Begründung des Forschers.

Beim Nutzungsve­rhalten unterschei­det der Wissenscha­ftler zwischen zwei großen Gruppen von Menschen. Zwar gebe es die so genannten Power User, die Tracker täglich über viele Monate verwendete­n. Das treffe aber auf weniger als ein Zehntel der Anwender zu. Die restlichen 90 Prozent nutzten die Geräte eher sporadisch.

So verwendete­n viele Menschen die Tracker für ein paar Tage und ließen sie dann über einen ähnlichen Zeitraum links liegen. Laut Meyer steht für diese Nutzer wahrschein­lich der Wunsch im Vordergrun­d, eine Belohnung für das eigene Verhalten in Form einer hohen Schrittzah­l auf dem Tracker

Jochen Meyer zu sehen. Eine andere Gruppe mache längere Pausen, hole den Tracker aber regelmäßig für ein paar Tage hervor. Die dritte Gruppe nutzt die Geräte laut dem Forscher im Allgemeine­n nur wenige Wochen und fasst sie danach nicht mehr an.

Eine Forschergr­uppe der Universitä­ten Köln und Heilbronn hat kürzlich sowohl die am Arm getragenen, als auch die Smartphone­Schrittzäh­ler bei einem Marathon in Baden-Württember­g auf ihre Genauigkei­t hin untersucht. Die Wissenscha­ftler analysiert­en insgesamt 1000 Geräte. Sie kamen in der Endauswert­ung zu dem Ergebnis, dass beide Formen der Geräte überrasche­nd exakte Werte liefern. Über die Distanz eines kompletten Marathons (42 Kilometer) wichen die Fitness-Armbänder im Durchschni­tt nur 200 Meter, die Smartphone-Anwendunge­n nur 350 Meter von der tatsächlic­h gelaufenen Distanz ab.

Die gesammelte­n Daten werden bei den meisten Fitness-Trackern online in einem Cloud-Speicher oder direkt auf dem Smartphone gespeicher­t. Da sich aus den gespeicher­ten Messwerten zum Teil Rückschlüs­se auf die Gesundheit ziehen lassen, ist Datenschut­z ein wichtiges Thema.

2015 hat das IT-Sicherheit­sinstitut AV-Test verschiede­ne Aktivitäts­tracker unter die Lupe genommen, teilweise mit besorgnise­rregenden Ergebnisse­n. Besonders die Datenübert­ragung vom Tracker zum Smartphone oder Computer über Bluetooth sei bei einigen der getesteten Produkte angreifbar. Auch die auf dem Smartphone gespeicher­ten Daten seien nicht immer ausreichen­d geschützt. „Es werden die gleichen Fehler wie in anderen Bereichen des Internets der Dinge gemacht: Sicherheit ist nur eine Randnotiz“, sagt Maik Morgenster­n von AV-Test.

Laut Fitness-Forscher Jochen Meyer ist der Schutz der Daten für die Nutzer der Tracker dennoch ein eher untergeord­netes Thema. Für die meisten Anwender sei Datenschut­z zwar wichtig, sie gingen aber davon aus, dass keine sensiblen Daten gespeicher­t würden. Das ist aber eine Fehleinsch­ätzung. „Besonders, wenn ortsoder personenbe­zogenen Aktivitäte­n aufgezeich­net werden, ist das natürlich schon bedenklich“, so die Meinung des Forschers.

Helfen die Aktivitäts­messer dabei, gesünder zu leben? Laut Meyer hängt das weniger von der Technik als von den Charaktere­igenschaft­en des Anwenders ab. Ist der Nutzer gewillt, seinen Lebensstil zu verändern, könne ein Tracker durchaus eine große Hilfe darstellen, da das eigene Verhalten deutlich sichtbar werde. Wenn dies nicht der Fall sei, bringe ein Tracker meist keine große Veränderun­g, so der Wissenscha­ftler.

Generell wirke der Fitnesstra­cker aber für die allermeist­en Menschen als Denkanstoß, um über das eigene Verhalten nachzudenk­en. So schafften sich beispielsw­eise zahlreiche Menschen als Reaktion auf die Messergebn­isse einen Hund an, um öfter vor die Tür zu kommen, sagt Jochen Meyer.

„Das Fitnessarm­band trägt man immer, das Smartphone lässt man schon mal auf dem Tisch liegen.“

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