Erst Rebellion – dann Rache
Neu im Kino: „Birth of a Nation“von Nate Parker – Historisches Epos aus der Sicht der Sklaven über den Prediger und Aufständischen Nat Turner
Die Finger des Jungen gleiten andächtig über die Buchrücken, die sich in der Bibliothek der Südstaatenvilla aneinanderreihen. „Diese Bücher sind nur für Weiße“sagt die Dame des Hauses mit säuselnder Stimme zu dem achtjährigen Sklavensohn „Sie sind voller Dinge, die ihr Schwarzen nicht verstehen könnt“. Der kleine Nat Turner (Nate Parker) hat sich selbst heimlich das Lesen beigebracht. Als die Frau des Plantagenbesitzers es herausfindet, beschließt sie, ihn zu unterrichten. Aber das Curriculum für das schwarze Wunderkind bleibt auf ein einziges Buch beschränkt: die Bibel.
Als Erwachsener predigt Nat jeden Sonntag für die anderen Sklaven um Trost, Geduld und Zuversicht. Dass die Geduld der Sklaven nicht ewig andauern wird, bekommen die weißen Baumwollfarmer 30 Jahre vor dem amerikanischen Bürgerkrieg immer mehr zu spüren. Und so wird der schwarze Prediger zu den Gütern im ländlichen Virginia geschickt, um die Gemüter der Sklaven mit Bibelzitaten zu beruhigen. Die Gräueltaten, die er dort geschehen, öffnen ihm die Augen und er beginnt die Bibel anders zu lesen.
In „Birth of a Nation“erinnert Nate Parker an Prediger Nat Turner, der 1831 einen Aufstand gegen die Sklavenhalter in Southhampton County, Virginia, anführte. Der Film ist als großes, historisches Epos aus der Sicht der Sklaven angelegt, die hier nicht zu passiven Opfern stigmatisiert werden. In einem durchaus konventionellen Erzählmodus schildert Parker über einige Schlüsselerlebnisse hinweg die Reifung des christlichen Predigers zum Anführer einer Revolte. Die Bilder von den Gräueltaten weißer Sklavenhalter werden sich genauso ins filmische Gedächtnis einbrennen, wie die der Aufständischen, die mit dem Beil die Plantagenbesitzer und deren Familien im Schlaf umbringen, oder die lange Kamerafahrt durch einen Wald voller gehängter schwarzer Männer, Frauen und Kinder nach dem Scheitern der Rebellion. Es sind Bilder, die ihr Echo finden in gegenwärtigen Nachrichtensendungen, die von Rassenunruhen und Polizeigewalt gegen Afroamerikaner erzählen. Zu den größten Schwächen des Films gehört jedoch der Umgang mit sexueller Gewalt. In der Darstellung geht es dabei weniger um das Leid der betroffenen Frauen als um die gekränkte Beschützerehre der Ehemänner, die zur Tatenlosigkeit verdammt sind. Mit diesem sehr maskulinen Blick auf sexuelle Gewalt gleitet „Birth of a Nation“dann auch während des letzten Drittels in die Gefilde eines konventionellen Rachethrillers, womit er sich und seinem Anliegen keinen Gefallen tut. (USA 2016, 120 Min., Camera Zwo Sb; Regie: Nate Parker)
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