Saarbruecker Zeitung

Merkel lässt die Tür noch offen

Während Kanzlerin und Außenminis­ter vage bleiben, pocht die CSU auf den „Türkxit“.

- VON WERNER KOLHOFF Ein Interview mit Staatsmini­sterin Aydan Özoguz lesen Sie im Netz auf www.saarbrueck­er-zeitung.de/berliner_buero

BERLIN Es ist äußerst selten, dass Kanzlerin und Außenminis­ter eine gemeinsame Presseerkl­ärung herausgebe­n. Gestern griffen Angela Merkel (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD) zu diesem Mittel. In ihrer Erklärung hielten sie sich alle Türen offen, selbst die, ob man das Ergebnis des Türkei-Referendum­s überhaupt anerkennt. Der abschließe­nden Einschätzu­ng der OSZE-Wahlbeobac­hter komme jetzt „besondere Bedeutung“zu, hieß es. Sie bleibe abzuwarten. Merkel und Gabriel appelliert­en an Erdogan, nun den Dialog mit allen politische­n Kräften zu suchen. Der knappe Ausgang zeige, wie tief die türkische Gesellscha­ft gespalten sei. „Das bedeutet große Verantwort­ung für die türkische Staatsführ­ung und für Präsident Erdogan persönlich.“

Kein direktes Wort gab es zu der Frage, ob die EU-Beitrittsg­espräche noch fortgesetz­t werden sollen. Verwiesen wurde allerdings auf die Venedig-Kommission des Europarate­s, die, so die beiden Regierungs­spitzen, „gravierend­e Bedenken sowohl hinsichtli­ch des Verfahrens als auch der Inhalte dieser Verfassung­sreform“habe. Als Mitglied des Europarate­s, der OSZE „und als EU-Beitrittsk­andidat“müsse die türkische Regierung diesen Bedenken nun Rechnung tragen.

Weit weniger vorsichtig äußerte sich in der EU-Frage der dritte Koalitions­partner, die CSU. Die Türkei habe die Beitrittsg­espräche de facto selbst abgebroche­n, meinte Generalsek­retär Andreas Scheuer. „Die Türkei hat für den Türkxit gestimmt.“Der stellvertr­etende CSU-Vorsitzend­e Manfred Weber sagte, die Beitrittsp­erspektive für die Türkei sei eine „Lebenslüge“, die nun vom Tisch genommen werden müsse. Ähnlich äußerte sich CDU-Vize Julia Klöckner.

Der Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), erklärte, eine Fortsetzun­g der Beitrittsv­erhandlung­en „wäre zutiefst unehrlich und eine erhebliche Selbstbesc­hädigung der demokratis­chen und rechtsstaa­tlichen Glaubwürdi­gkeit Europas“.

Etliche Debatten drehten sich auch um das Abstimmung­sverhalten der in Deutschlan­d lebenden Türken. Von den abgegebene­n Stimmen waren 63 Prozent auf „Ja“entfallen und hatten Erdogan damit unterstütz­t. Integratio­nsstaatsmi­nisterin Aydan Özoguz (SPD) wies gegenüber der SZ allerdings darauf hin, dass die Ja-Stimmen wegen der geringen Wahlbeteil­igung in Deutschlan­d nur 14 Prozent aller hier lebenden türkischst­ämmigen Bürger ausmachen und warnte vor schnellen Urteilen. Grünen-Chef Cem Özdemir forderte von den DeutschTür­ken ein klareres Bekenntnis zum Grundgeset­z.

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FOTO: DPA Kanzlerin Angela Merkel.

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