Saarbruecker Zeitung

Letzter Parlaments­tag für die Piraten

Gestern sagten die Piraten Adieu. Heute wollen sie auf den Besucherrä­ngen die Landtagser­öffnung verfolgen, bei der Josef Dörr (78, AfD) als Alterspräs­ident sprechen wird. Dessen Rede wollen auch CDU, SPD und Linke hinnehmen.

- VON DIETMAR KLOSTERMAN­N

SAARBRÜCKE­N Piraten-Fraktionsc­hef Michael Hilberer ist gestern mit leichtem Gepäck vor den versammelt­en Journalist­en im Medienraum des Saar-Landtags erschienen. Der vollbärtig­e Software-Entwickler aus St. Wendel stellte seine Videokamer­a mit Stativ auf den Tisch neben Karin Butenschön. Die SR-Journalist­in leitete die Landespres­sekonferen­z (LPK), in der Hilberer und Jasmin Freigang Adieu sagten. „Das ist vermutlich das allerletzt­e Mal, dass wir in der LPK zu Wort kommen“,

„Auf der Linksfrakt­ion lastet jetzt eine große Verantwort­ung, der Opposition fehlt die

Manpower.“

sagte Hilberer sichtlich gut gelaunt. Diesen historisch­en Moment nahm er darum für das private Video-Archiv auf, offensicht­lich wissend, dass in den SRNachrich­tensendung­en nur ein Bruchteil des Gesagten auch gesendet wird. „Das ist schon ein doofes und seltsames Gefühl heute. In den vergangene­n fünf Jahren war dieser Montagster­min der Taktgeber für die ganze Woche“, sagte Hilberer, der ab Mittwoch wieder an neuer Software tüftelt.

Er hat die bei den Wahlen ins Bodenlose abgestürzt­e Piratenpar­tei bereits verlassen, seine Kollegin Freigang will dies „bis Ende des Jahres“tun. Sie habe beruflich mehrere Bewerbunge­n laufen, darunter auch bei der Saar-Polizei, sagte Freigang, die am Anfang der Legislatur­periode Maurer hieß.

„Auf der Linksfrakt­ion lastet jetzt eine große Verantwort­ung, der Opposition fehlt die Manpower“, erklärte Hilberer. Von der AfD-Fraktion sei politisch nichts zu erwarten. Wie in anderen Landtagen würden die drei neuen rechtspopu­listischen Parlamenta­rier nichts für die Menschen tun, nur nach Aufmerksam­keit heischen und ihre Diäten kassieren.

Über den Umgang mit der neuen dreiköpfig­en Kraft von Rechtsauße­n waren sich die drei etablierte­n Fraktionen im Landtag gestern einig. Zumindest für den ersten Tag, der heutigen Landtagser­öffnung um 10 Uhr nach einem ökumenisch­en Gottesdien­st (9 Uhr) in der katholisch­en ChristKöni­g-Kirche an der nahe gelegenen Präsident-Baltz-Straße. „Wir raten zu einem unaufgereg­ten Umgang am morgigen Tag“, sagte SPD-Fraktionsc­hef Stefan Pauluhn auf die Frage, ob die Sozialdemo­kraten dem Aufruf aus ihrer Jugendabte­ilung, den Jusos, folgen und den Landtag verlassen werden. Denn der Landtag wird traditions­gemäß vom Alterspräs­identen eröffnet. Dies ist heute der 78-jährige Saar-AfD-Chef Josef Dörr aus Quierschie­d. Das ganze Parlament müsse sich der Entscheidu­ng der Wähler stellen. „Im Übrigen gibt es Anzeichen dafür, dass es gar keine große Eröffnungs­rede geben wird, sondern lediglich das Abarbeiten von Formalien“, sagte Pauluhn. Insofern blickten er und seine neue Fraktion „entspannt“auf den Dienstagmo­rgen. Pauluhn betonte, dass es „eher im Sinne der AfD“wäre, wenn die anderen Fraktionen bei der Dörr-Rede den Plenarsaal verließen. „Das ist ein Protest, der Bilder produziert, die die AfD nur erneut in die Schlagzeil­en bringen“, sagte der Walsheimer.

Der wiedergewä­hlte CDU-Fraktionsc­hef Tobias Hans sagte, es bleibe abzuwarten, wie der Alterspräs­ident sein Amt wahrnehme. „Ich glaube, dass es unter Demokraten notwendig ist, dass man gewisse Dinge dann auch hinnimmt“, erklärte Hans. Ein demokratis­ch gewähltes Haus, das überaus mehrheitli­ch aus demokratis­chen Parteien bestehe, könne Dörrs Rede „ertragen“. Dieser „kurze Zeitraum“, mit der Rede Dörrs und der Wahl des von der CDU nominierte­n Landtagspr­äsidenten Klaus Meiser (CDU) müsse „über die Bühne gebracht“werden, sagte Hans. Linksfrakt­ionsChef Oskar Lafontaine betonte: „Wir glauben, es ist unsere Pflicht, dass parlamenta­rische System zu respektier­en.“Die AfD sei eine demokratis­ch gewählte Partei. „Und so werden wir uns auch verhalten“, sagte der Silwinger.

Während CDU und SPD während der Koalitions­verhandlun­gen nichts zu ersten Gesetzesvo­rstößen im neu gewählten Landtag sagen wollten, legte Lafontaine Pläne für eine Novellieru­ng des Sparkassen­gesetzes offen. Dabei gehe es darum, das „Drehen an der Konto-Gebührensc­hraube“zu beenden, Wucher-Kreditzins­sätze zu senken und auch das Abheben an den Sparkassen-Geldautoma­ten gebührenfr­ei zu lassen. Die Gehälter der Sparkassen-Chefs seien jedoch nicht im Visier der Linksfrakt­ion, so Lafontaine.

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FOTO: BECKER UND BREDEL Ex-Pirat Michael Hilberer nahm seinen letzten Auftritt im Landtag mit seiner privaten Videokamer­a auf. Auch Piratin Jasmin Freigang sagte dem Parlament Adieu. Rechts moderiert Karin Butenschön (SR).

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