Ach Leute, führt bloß kein mutloses Dasein!
Der Reiseautor Andreas Altmann versucht sich an einer „Gebrauchsanweisung für das Leben“– heute liest er daraus in Saarbrücken.
SAARBRÜCKEN Man kann es vielleicht so sagen: Wer nicht das Gefühl hat, dass sein/ihr Leben misslungen ist, hat eigentlich keinen Grund, dieses Buch zu lesen. Ebenso wenig, wer (aus guten Gründen) eine tiefe Abneigung gegen Bücher hegt, die nicht nur nach Ratgeberliteratur riechen, sondern auch noch einen derart anmaßenden Titel haben: „Gebrauchsanweisung für das Leben“. Weshalb der Reiseschriftsteller Andreas Altmann, der es verfasst und in der gleichnamigen Reisebuchreihe des Piper Verlages untergebracht hat (daher der vollmundige Titel!), sich schon im Vorwort rechtfertigt: „Der Autor verteilt keine Ratschläge, denn er weiß keine. Er weiß jedoch ein paar Geschichten, und die erzählt er.“
Bahnbrechendes über das Leben erfährt man auf den folgenden 220 Seiten nicht. Was einem Altmann mit auf den Lebensweg geben will, ist bereits auf den ersten Seiten seiner kursorischen mode de vie-Betrachtungen umrissen: „Sinn macht, wenn ein Mensch das wird, was in ihm angelegt ist. Wenn er sich nicht verbiegen, nicht verleugnen, nicht verstümmeln muss.“Ansonsten erinnern diese Handreichungen an eine Lebensmaxime, die als gedruckte Postkarte seit den späten 80ern in WG-Küchen einen Ehrenplatz hatte: „Lebe wild und gefährlich“(ein von einem ersichtlich anarchisch tickenden Jungen namens Arthur unterschriebenes Bonmot) stand darauf. Doch ist das launige Brevier des in Paris lebenden, selbsternannten 67-jährigen Lebenskünstlers insoweit nicht unergiebig, als der weit und viel herumgekommene Altmann in seinem exotischen Reisebauchladen allerlei Anekdoten gesammelt hat. Sie halten seine oft redundante Lebensfeier – sie reicht selten viel weiter als Einlassungen à la „Das Leben will geliebt werden. Sonst lahmt es. Wer es nicht bewundert, wer nicht in höchsten Tönen von ihm erzählt, bekommt ein Scheißleben.“– auf Dauer am ehesten zusammen.
Die Themen, an denen sich Altmann auf jeweils etwa zehn Seiten Länge entlanghangelt, reichen von „Abenteuer“über „Angst“und „Religion“bis zu „Frauen“, „Tod“oder „Liebe“– doch lässt sich, was dort jeweils von ihm verhackstückt wird, beim besten Willen nicht als essayistische Betrachtung lesen. Dazu fehlt es Altmanns zwar erfrischender, aber zuweilen ins Küchenpsychologische abgleitender Erzählerei am Ende doch an Esprit und Substanz. Wobei seine Lebenshaltung unbestritten viel für sich hat: Er plädiert für Leichtigkeit und Tiefe, wirbt für Horizonterweiterungen („Umwege erweitern die Ortskenntnis“), rät zu Unbestechlichkeit und Ausdauer im Verfolgen von Zielen. Dazu warnt Altmann als Auftragsanimateur von Piper und Lifestyle Coach geradezu leidenschaftlich vor anämischem Kompromisslertum („Nicht in einer Kompromissstadt verwelken! Nicht in einer Kompromissliebe ausharren!“) und besingt gerne und ausdauernd „die beiden Aphrodisiaka Schönheit und Geist“.
Wenn man kein Geleit erwartet von dieser Gebrauchsanweisung, entfaltet sie an der ein oder anderen Stelle fraglos einigen Charme und berührt mit bewegenden Einsichten. Etwa, wenn Altmann von seiner Arbeit in einem Kloster für Aidskranke in Thailand erzählt, in dem er lernte, dass Mitgefühl nicht auf Abruf entsteht. „Man durfte die Empfindung nicht inszenieren, nicht mit einer Willensanstrengung erzwingen. Sie muss fließen, und wenn sie das nicht tut, so soll man das hinnehmen. Denn die Wärme kehrt zurück, bestimmt.“Hätte Altmann sein erfahrungsreiches Leben in den vergangenen Jahren journalistisch nicht derart inflationär ausgeschlachtet, man würde womöglich weniger strenge Maßstäbe an sein Werk anlegen. Und ihm zuletzt Respekt zollen, dass er 230 Seiten durchhält, ohne zu langweilen. So aber überwiegen die Vorbehalte ob Altmanns recyclinghafter Selbstvermarktung. .............................................