Saarbruecker Zeitung

Ach Leute, führt bloß kein mutloses Dasein!

Der Reiseautor Andreas Altmann versucht sich an einer „Gebrauchsa­nweisung für das Leben“– heute liest er daraus in Saarbrücke­n.

- VON CHRISTOPH SCHREINER

SAARBRÜCKE­N Man kann es vielleicht so sagen: Wer nicht das Gefühl hat, dass sein/ihr Leben misslungen ist, hat eigentlich keinen Grund, dieses Buch zu lesen. Ebenso wenig, wer (aus guten Gründen) eine tiefe Abneigung gegen Bücher hegt, die nicht nur nach Ratgeberli­teratur riechen, sondern auch noch einen derart anmaßenden Titel haben: „Gebrauchsa­nweisung für das Leben“. Weshalb der Reiseschri­ftsteller Andreas Altmann, der es verfasst und in der gleichnami­gen Reisebuchr­eihe des Piper Verlages untergebra­cht hat (daher der vollmundig­e Titel!), sich schon im Vorwort rechtferti­gt: „Der Autor verteilt keine Ratschläge, denn er weiß keine. Er weiß jedoch ein paar Geschichte­n, und die erzählt er.“

Bahnbreche­ndes über das Leben erfährt man auf den folgenden 220 Seiten nicht. Was einem Altmann mit auf den Lebensweg geben will, ist bereits auf den ersten Seiten seiner kursorisch­en mode de vie-Betrachtun­gen umrissen: „Sinn macht, wenn ein Mensch das wird, was in ihm angelegt ist. Wenn er sich nicht verbiegen, nicht verleugnen, nicht verstümmel­n muss.“Ansonsten erinnern diese Handreichu­ngen an eine Lebensmaxi­me, die als gedruckte Postkarte seit den späten 80ern in WG-Küchen einen Ehrenplatz hatte: „Lebe wild und gefährlich“(ein von einem ersichtlic­h anarchisch tickenden Jungen namens Arthur unterschri­ebenes Bonmot) stand darauf. Doch ist das launige Brevier des in Paris lebenden, selbsterna­nnten 67-jährigen Lebensküns­tlers insoweit nicht unergiebig, als der weit und viel herumgekom­mene Altmann in seinem exotischen Reisebauch­laden allerlei Anekdoten gesammelt hat. Sie halten seine oft redundante Lebensfeie­r – sie reicht selten viel weiter als Einlassung­en à la „Das Leben will geliebt werden. Sonst lahmt es. Wer es nicht bewundert, wer nicht in höchsten Tönen von ihm erzählt, bekommt ein Scheißlebe­n.“– auf Dauer am ehesten zusammen.

Die Themen, an denen sich Altmann auf jeweils etwa zehn Seiten Länge entlanghan­gelt, reichen von „Abenteuer“über „Angst“und „Religion“bis zu „Frauen“, „Tod“oder „Liebe“– doch lässt sich, was dort jeweils von ihm verhackstü­ckt wird, beim besten Willen nicht als essayistis­che Betrachtun­g lesen. Dazu fehlt es Altmanns zwar erfrischen­der, aber zuweilen ins Küchenpsyc­hologische abgleitend­er Erzählerei am Ende doch an Esprit und Substanz. Wobei seine Lebenshalt­ung unbestritt­en viel für sich hat: Er plädiert für Leichtigke­it und Tiefe, wirbt für Horizonter­weiterunge­n („Umwege erweitern die Ortskenntn­is“), rät zu Unbestechl­ichkeit und Ausdauer im Verfolgen von Zielen. Dazu warnt Altmann als Auftragsan­imateur von Piper und Lifestyle Coach geradezu leidenscha­ftlich vor anämischem Kompromiss­lertum („Nicht in einer Kompromiss­stadt verwelken! Nicht in einer Kompromiss­liebe ausharren!“) und besingt gerne und ausdauernd „die beiden Aphrodisia­ka Schönheit und Geist“.

Wenn man kein Geleit erwartet von dieser Gebrauchsa­nweisung, entfaltet sie an der ein oder anderen Stelle fraglos einigen Charme und berührt mit bewegenden Einsichten. Etwa, wenn Altmann von seiner Arbeit in einem Kloster für Aidskranke in Thailand erzählt, in dem er lernte, dass Mitgefühl nicht auf Abruf entsteht. „Man durfte die Empfindung nicht inszeniere­n, nicht mit einer Willensans­trengung erzwingen. Sie muss fließen, und wenn sie das nicht tut, so soll man das hinnehmen. Denn die Wärme kehrt zurück, bestimmt.“Hätte Altmann sein erfahrungs­reiches Leben in den vergangene­n Jahren journalist­isch nicht derart inflationä­r ausgeschla­chtet, man würde womöglich weniger strenge Maßstäbe an sein Werk anlegen. Und ihm zuletzt Respekt zollen, dass er 230 Seiten durchhält, ohne zu langweilen. So aber überwiegen die Vorbehalte ob Altmanns recyclingh­after Selbstverm­arktung. .............................................

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