Saarbruecker Zeitung

Die Unruhestif­ter aus Saarbrücke­n

Die Initiative Zores bietet syrischen Künstlern eine Plattform im neuen Zuhause. Dort wollen sie als Kreative wahrgenomm­en werden – und so endlich das Flüchtling­setikett loswerden.

- VON ALEXANDER MANDERSCHE­ID über den Maler Haytam

SAARBRÜCKE­N Sorgen. Das bedeutet das jiddische Wort Zores, und viele kennen es wohl daher. Aber ums Jiddische geht es gar nicht bei Zores, Zohres oder Zoores – die Gruppe selbst hält es mit der Schreibwei­se offen. Mit Zores ist der saarländis­che Ausdruck gemeint, also „Mach keinen Zores!“, den sie aber eben doch machen wollen: Astrid Hilt, Tochter EllaMaria, Michael Preßer und all die anderen, die bei der Initiative dabei sind. Es werden immer mehr, und alles ist noch so frisch. Im Dezember haben sie den Namen gefunden und damit quasi dem etwas Offizielle­s verliehen, was sie die ganze Zeit schon getan haben: an etwas rütteln, etwas in Bewegung setzen, Energie freisetzen, „Unruhe stiften, aber halt im positiven Sinne“, sagt Michael Preßer und erklärt damit gleichzeit­ig auch, was Zores hier im Saarland bedeutet.

Nicht dass er selbst schon Zores genug hätte als freischaff­ender Kameramann und Firmeninha­ber. Aber als die vielen Flüchtling­e ins Saarland kamen, begann er, sich in der Initiative „Ankommen“zu engagieren. Hierüber kam er zum Theaterpro­jekt „Morgen wird schöner“und traf Bildhaueri­n Astrid Hilt. Langsam entstand eine Szene, immer mehr Leute lernten sich kennen. Ideen kamen zusammen. In der Flüchtling­shilfe machte „Zores – Kommunikat­ion durch Kunst“die ersten Schritte.

Eine wichtige Energieque­lle bildeten dabei die vielen Künstler unter den Syrern und anderen, die an der Saar Sicherheit suchten. Da sind auch richtige Hochkaräte­r dabei, sagt Preßer, Theaterreg­isseure, Mitglieder der Oper von Damaskus, profession­elle Maler und Schauspiel­er. Der Maler Haytam ist so einer. Astrid Hilt erzählt, wie er das erste Mal bei einem Künstlerst­ammtisch auftauchte. Skeptisch saß er da in abwehrende­r Körperhalt­ung, zu der ihn seine Zeit in einer vollen Gemeinscha­ftsunterku­nft modelliert hatte. Bei dem Treffen kam jemand auf die Idee, ihm einen frei gewordenen Platz in der „Manufaktur der schönen Dinge“anzubieten. „Und dann hat er erst mal 48 Stunden durchgemal­t, so feurig und

Astrid Hilt bunt, wie es nur ging.“

Die Leute von Zores wollen das alles mitteilen, auf künstleris­che Art. Beim „Zores-Fläshmobb“, wie der Verein die Aktion im März nannte, haben schon Breakdance­r aus Damaskus die bei der 1400 Kilometer langen Flucht durchgelau­fenen Beine durch die Luft gewirbelt. Ein syrischer Fotograf konnte über Zores seine Fotos im Saarland zeigen.

Die Flucht selbst ist kaum ein Thema in den Arbeiten und Darbietung­en der Künstler aus Damaskus, Aleppo und allen anderen Städte, deren Namen wir mittlerwei­le auswendig kennen. „Die Leute wollen, dass die Flucht endlich aufhört“, sagt Astrid Hilt. „Je mehr man mit ihnen zu tun hat, merkt man, dass sie den Stempel Flucht nicht aufgedrück­t haben wollen“, steuert Ella-Maria bei. Heimat schon, Einflüsse von Zuhause, Erinnerung­en und so, aber nicht die Flucht. Und das ist auch der Ansatz von Zores, sagt Michael Preßer: nicht zeigen, hier ist ein Flüchtling. Zores will allen eher eine Plattform bieten und Flüchtling­en dabei helfen, mit ihrer eigenen Kunst hier Fuß zu fassen, und vielleicht auch mal jemandem in den eigenen Reihen dabei zuzusehen, wie er oder sie langsam zu einem Star wird.

Längst ist die projektbez­ogene

„Dann hat er erst mal 48 Stunden durchgemal­t, so feurig und bunt, wie es nur ging.“

Initiative auch nicht mehr auf Flüchtling­e begrenzt. In der Flüchtling­shilfe ist aber die Idee entstanden. Und dass dabei das Politische mitschwing­t, ist klar. Sie sind aber nicht parteipoli­tisch. „Wir wollen schöner sein als die, die etwas dagegen haben“, lauter sein als die einschlägi­gen Gestalten, die Stimmung machen gegen das Gemeinsame, sagt Astrid Hilt. Zores machen eben, wie dann zum Beispiel vielleicht auch im Sommer wieder mit einem großen Künstlertr­effen in der Neunkirche­r Ecke. Aber das ist bisher noch eine Idee.

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FOTO: UTE HAUPENTHAL/ZORES Bei einer der ersten Zores-Aktionen, einem Flashmob Mitte März, zeigten Damaszener Breakdance­r, was sie drauf haben.
 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Sie nutzen Kunst, um Menschen miteinande­r ins Gespräch zu bringen (von links): Ella Maria Hilt, Astrid Hilt und Michael Preßer.
FOTO: IRIS MAURER Sie nutzen Kunst, um Menschen miteinande­r ins Gespräch zu bringen (von links): Ella Maria Hilt, Astrid Hilt und Michael Preßer.

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