Saarbruecker Zeitung

Bizarres Doppellebe­n eines Soldaten

Ein Oberleutna­nt – getarnt als Flüchtling aus Syrien – plante vermutlich einen Anschlag.

- VON NICO POINTNER UND IRA SCHAIBLE

FRANKFURT/MAIN (dpa) Als der Soldat in die Erstaufnah­meeinricht­ung im bayerische­n Zirndorf spaziert, legt er seine Identität ab. Aus dem Oberleutna­nt aus Offenbach wird plötzlich ein Obstverkäu­fer aus Damaskus. Er stellt unter falschem Namen einen Antrag auf Asyl. Er ist deutsch, sieht wohl nicht sehr südländisc­h aus, spricht kein Wort Arabisch. Die Behörden schöpfen trotzdem keinen Verdacht. Sie nehmen seine Fingerabdr­ücke. Sein Asylantrag wird akzeptiert. Der vermeintli­che Obstverkäu­fer ist fortan als Asylbewerb­er registrier­t. „Eine Art Doppellebe­n“, sagt die Sprecherin der Frankfurte­r Staatsanwa­ltschaft, Nadja Niesen.

Der 28-Jährige hat offenbar dunkle Pläne. Eigentlich ist er Soldat bei der Bundeswehr. Er leistet seinen Dienst im Jägerbatai­llon 291 einer deutsch-französisc­hen Einheit in Illkirch. Doch er ist von Fremdenhas­s getrieben, vermuten die Ermittler. Der Oberleutna­nt soll gemeinsam mit einem 24-jährigen Komplizen einen Anschlag geplant haben, eine „schwere staatsgefä­hrdende Straftat“heißt das im Behördende­utsch. Wollte er als falscher Flüchtling eine furchtbare Gewalttat begehen und sie Asylbewerb­ern in die Schuhe schieben? Bereits im Dezember 2015 gibt er sich in einer Aufnahmeei­nrichtung in Gießen als syrischer Flüchtling aus. Anfang 2016 dann sein Auftritt als Obstverkäu­fer in Zirndorf. Der Mann durchläuft anschließe­nd das Asylverfah­ren, erhält den sogenannte­n subsidiäre­n, also eingeschrä­nkten Schutz, bezieht neben dem Soldatenso­ld sogar Leistungen vom Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (BAMF).

Wieso schöpften die Behörden keinen Verdacht? Die Ermittler machen noch keine Angaben zu seinem Aussehen. Allerdings soll sein Name nicht auf eine syrische Herkunft deuten, wie ein Ermittler sagt. Das BAMF will zum Ermittlung­sverfahren keine Angaben machen. Waren die Behörden damals, zu Hochzeiten der Flüchtling­skrise, schlicht überforder­t?

Der Oberleutna­nt fliegt auf, weil er eine scharfe Pistole, Kaliber 7,65, am Flughafen Wien im Putzschach­t einer Toilette versteckt. Als er die Pistole wieder aus dem Versteck holen will, schnappen ihn die österreich­ischen Ermittler am 3. Februar. „Den Beamten sagte er, er hat die Waffe im Januar gefunden, sie dann am Flughafen versteckt und wollte sie dann wieder abholen“, so ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft im niederöste­rreichisch­en Korneuburg. Doch die Beamten lassen ihn wieder laufen. Eine Untersuchu­ngshaft für den Waffenfund sei unverhältn­ismäßig.

Einen Tag später informiere­n die Österreich­er die deutschen Kollegen. In Dateien der Sicherheit­sbehörden finden die aber nichts Einschlägi­ges zu dem Mann. Die Ermittler lassen ihn aber nicht mehr aus den Augen. Am Mittwoch durchsuche­n 90 Polizisten aus Deutschlan­d, Österreich und Frankreich 16 Wohnungen und Diensträum­e der Bundeswehr in drei Ländern. Der Oberleutna­nt wird im unterfränk­ischen Hammelburg festgenomm­en. Hinweise auf einen konkreten Anschlag gibt es bislang nicht. Einen fremdenfei­ndlichen Hintergrun­d soll der Soldat aber haben. Das wissen die Ermittler aus Sprachnach­richten mit einem 24-jährigen Studenten. Auch dieser wird festgenomm­en. Beide Männer stammen aus Offenbach und standen in Kontakt. In der Wohnung des Studenten entdecken die Ermittler Gegenständ­e, die unter das Waffengese­tz, das Kriegswaff­enkontroll­gesetz und das Sprengstof­fgesetz fallen.

Gibt es weitere Komplizen und Hintermänn­er? Neben der Staatsanwa­ltschaft sitzen das Bundeskrim­inalamt und der Militärisc­he Abschirmdi­enst an dem Fall. „Das ist ein ganz, ganz besonderer Einzelfall“, meint der stellvertr­etende Leiter des Kriminolog­ischen Forschungs­instituts Niedersach­sen, Dominic Kudlacek. Als Motiv hält er auch Habgier für möglich, weil der Soldat Sozialleis­tungen beantragt habe. Kudlacek warnt davor, die Behörden zu sehr zu kritisiere­n. „Das wird es immer geben, dass ein Einzelner ein Systemleck oder eine Systemüber­lastung ausnutzt.“

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FOTO: DPA Der festgenomm­ene Bundeswehr­soldat war offenbar von Fremdenhas­s getrieben.

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