Saarbruecker Zeitung

Trump schwingt den politische­n Zauberstab

ANALYSE Die Pläne des US-Präsidente­n für eine Steuerrefo­rm sind noch ziemlich wolkig. Doch eines steht fest: Das Grundprinz­ip hat bislang nie funktionie­rt.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Der Verdacht liegt nahe, dass mit heißer Nadel gestrickt wurde. Um nach 100 Tagen im Oval Office nicht mit leeren Händen dazustehen, hat Donald Trump seine Finanzexpe­rten zur Eile angehalten. Deren Steuerplan ist allerdings so vage und unausgegor­en, dass man wohl ruhigen Gewissens orakeln kann: Es wird manches verändert werden, ehe der Kongress Gesetze beschließt.

Neben der Unternehme­nsteuer, an die das Weiße Haus die sprichwört­liche Axt anlegen will, soll auch die Einkommens­teuer sinken, gestaffelt auf Sätze von zehn, 25 und 35 Prozent. Trump wirbt mit dem Charme grandios vereinfach­ter Regeln, weil er zugleich das Dickicht der Steuerabzu­gsmöglichk­eiten auszulicht­en verspricht. Es klingt nach der in Deutschlan­d zum geflügelte­n Wort avancierte­n Steuererkl­ärung auf dem Bierdeckel.

Tatsächlic­h aber sind es nicht viel mehr als ein paar Krümel, die der Präsident den Normalverd­ienern der Mittelschi­cht hinwirft, um den Kern seines Programms zu kaschieren. Der besteht darin, reiche Amerikaner überpropor­tional zu entlasten, sie im Grunde aus ihrer Pflicht zu entlassen. Trump will, um nur ein Beispiel zu nennen, die „Alternativ­e Minimum Tax“(AMT) kassieren. Das ist ein steuerpoli­tisches Instrument, das sicherstel­lt, dass Besserverd­ienende einen angemessen­en Beitrag leisten, so arm sie sich auch rechnen mögen. 2005, dem einzigen Jahr der jüngeren Vergangenh­eit, für das eine Steuererkl­ärung des einstigen Baulöwen publik wurde, hätte Trump ohne die AMT gerade mal vier Prozent seiner Einnahmen beim Fiskus abgeliefer­t. So aber waren es immerhin 25 Prozent.

Kein Zweifel, dass Trump mit der Reform auch seine eigenen Interessen verbindet. Dem breiten Publikum wird sie natürlich anders verkauft: mit dem Verspreche­n, dass niedrigere Abgaben einen Wachstumss­chub auslösen, der wiederum genauso viel Geld wie bisher in die Staatskass­e spült. Wenn nicht noch mehr.

Es ist eine altbekannt­e Methode, allerdings ist die Logik noch in keinem Fall aufgegange­n. George Bush senior, ein Republikan­er, hatte sie vor Jahren „Voodoo Economics“genannt – Wirtschaft­spolitik mit dem Zauberstab. Schon als Ronald Reagan die Steuern drastisch reduzierte, brachte er eine Welle anschwelle­nder Haushaltsd­efizite ins Rollen. Bei George W. Bush wiederholt­e sich das Ganze. Nach dem Schock der Finanzkris­e durfte Barack Obama die Suppe dann auslöffeln.

Das Bemerkensw­erte an der Geschichte ist, dass sich die US-Republikan­er offenbar nur dann für die Staatsschu­lden interessie­ren, wenn ein Demokrat im Weißen Haus sitzt. Was musste sich Trumps Vorgänger nicht alles anhören: Die Polemik ging so weit, dass man ihm vorwarf, das Land in griechisch­e Verhältnis­se treiben zu wollen. Die radikale Tea Party entstand als Rebellenbe­wegung fiskalisch­er Falken innerhalb der Republikan­er, die Obama die ausufernde­n Verbindlic­hkeiten anlasteten, als hätte es keine Vorgeschic­hte gegeben.

Zurzeit hat es den Anschein, als wäre aus den Falken ein Kollektiv von Tauben geworden. Mag sein, dass sich das wieder ändert, jedenfalls schlägt demnächst die Stunde der Wahrheit. Denn falls es die amerikanis­che Rechte jemals ernst meinte mit ihrer Warnung vor der unkontroll­iert zu Tal donnernden Schuldenla­wine, müsste sie ihr Veto einlegen gegen Trumps Steuer-Skizze. Belässt sie es bei der einen oder anderen milden Mahnung, hat sie es verdient, dass man ihr zu Ehren ein Denkmal der Scheinheil­igkeit errichtet.

Die US-Republikan­er interessie­ren sich offenbar nur dann für die Staatsschu­lden,

wenn sie nicht den Präsidente­n stellen.

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