Saarbruecker Zeitung

Die Theater-Revolution fällt aus

LEITARTIKE­L

-

Im Saarländis­chen Staatsthea­ter endet im Sommer die elfjährige Intendanz von Dagmar Schlingman­n. Sie übergibt Bodo Busse ein krisenfest­es, angesehene­s, beliebtes Haus. Nicht nur deshalb lassen die Saarländer sie ungern ziehen, das Publikum mag grundsätzl­ich keine Intendante­nwechsel. Der Durchschni­tts-Zuschauer ist halt ein Gewohnheit­stier, das dafür sorgt, dass „Die Zauberflöt­e“seit gefühlten 800 Jahren die Bühnenvere­in-Hitliste der meistgespi­elten Werke anführt. Vor diesem Hintergrun­d war der gestrige Tag ein guter für die Mehrheit der Theaterfan­s: Der designiert­e Saarbrücke­r Intendant verkündete bei seiner ersten SpielplanP­ressekonfe­renz, dass er die in Endlos-Schleife laufende „Zauberflöt­e“übernehmen wird.

Nein, das neue Führungste­am wirft die Schlingman­n-Ära nicht auf die Müllhalde. Die Botschaft ans Publikum lautet: Fürchtet euch nicht, die Revolution fällt aus. Was dann allerdings zu Lasten des Überraschu­ngsfaktors geht; ein paar Aufbruchs-Signale hätte man sich schon gewünscht. Stattdesse­n überwiegen bekannte Namen und Titel. Man trifft auf Stars wie Rossini und Mozart, Bildungsbü­rger-Lieblinge wie Lessing und Goethe. „Nabucco“oder „My fair Lady“erzeugen ein angenehmes Wiedererke­nnungsGefü­hl. Fehlanzeig­e herrscht bei Aufsehen erregenden neuen Spielorten, spartenübe­rgreifende­n Projekten oder originelle­n Veranstalt­ungsreihen.

Immerhin wird sich das Publikum ob der personell runderneue­rten Sänger- und Schauspiel­er-Riege die Augen reiben. Und die Gründung eines BürgerEnse­mbles, das in verschiede­nen Produktion­en mit auf der Bühne steht, verspricht dann tatsächlic­h neue Impulse. Unter Busse wird sich diese bereits bei Schlingman­n angelegte Linie des „Mitmach-Theaters“massiv verstärken. Zur örtlichen Keimzelle wird wohl die Sparte4 werden, die sich noch stärker für Begegnunge­n zwischen Theaterleu­ten und Zuschauern öffnen soll. Voraussich­tlich liegt genau hier die zentrale Innovation­squelle eines Busse-Theaters. Bis sie wirklich sprudelt, wird es Zeit brauchen.

Ist der Neue nun ein Konservati­ver oder einfach nur hasenfüßig? Angesichts seiner Arbeit in Coburg, mit der er die Stadt vitalisier­te, verbietet sich der Verdacht allzu großer Bravheit. Die überrasche­nd gediegene Spielplan-Ausrichtun­g für Saarbrücke­n erklärt sich womöglich daraus, dass Busse nicht die üblichen zwei Jahre als Vorbereitu­ngszeit hatte, sondern ein Dreivierte­ljahr. Das war sportlich. Außerdem will der neue Intendant, wie er sagt, zuerst einmal die „DNA des Staatsthea­ters“entschlüss­eln. Was er bisher lesen konnte, ist offenbar Folgendes: Bekannte Titel und Namen sind die sicherste Einflugsch­neise für Wagnisse. Erst muss das Publikum mal im Saal sitzen, bevor man es überrasche­n und irritieren kann. Begreifen wir diesen ersten Spielplan also als Sondierung­s-Instrument für ein Team, das festen Boden unter den Füßen haben will, ehe es abhebt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany