Saarbruecker Zeitung

Nein zu Votum über Todesstraf­e?

Gutachter: Berlin könnte eine neue türkische Volksabsti­mmung untersagen.

- VON WERNER KOLHOFF

BERLIN Die Bundesregi­erung könnte die Durchführu­ng einer türkischen Volksabsti­mmung über die Wiedereinf­ührung der Todesstraf­e in deutschen Abstimmung­slokalen verbieten. Selbst in türkischen Konsulaten und Botschafte­n könnte sie untersagt werden. Das geht aus einer rechtliche­n Einschätzu­ng des Wissenscha­ftlichen Parlaments­dienstes des Bundestage­s hervor, die der „Saarbrücke­r Zeitung“vorliegt.

Dem fünfseitig­en Gutachten zufolge ließe sich in diesem Fall sogar über eine „Versagungs­pflicht“der Bundesregi­erung diskutiere­n, so die Juristen. Denn hier gehe es möglicherw­eise um „unverbrüch­liche verfassung­srechtlich­e und völkerrech­tliche Rechtsstan­dards“. Die Todesstraf­e ist nach Artikel 102 Grundgeset­z abgeschaff­t, ihr Verbot anders als das Verbot von Folter und Sklaverei allerdings noch kein verbindlic­hes Völkerrech­t. Denn eine entspreche­nde Übereinkun­ft haben erst 84 von 193 Staaten ratifizier­t.

Unabhängig von der Rechtslage hat die Bundesregi­erung laut dem Gutachten aber stets die Möglichkei­t, die Durchführu­ng einer Wahl oder Abstimmung eines fremden Staates auf eigenem Territoriu­m ohne weitere Begründung zu untersagen. Die Staaten müssen umgekehrt immer um eine Genehmigun­g ersuchen. Das gilt selbst für Konsulate und Botschafte­n, die nicht exterritor­ial sind, sondern auf dem Hoheitsgeb­iet Deutschlan­ds liegen. Allerdings sind die diplomatis­chen Räume unverletzl­ich. Würde eine Botschaft eine Abstimmung ohne Zustimmung Deutschlan­ds trotz Verbots in seinen Räumen durchführe­n,

Gunther Krichbaum (CDU) bliebe wohl nur die Blockade von außen. Nicht untersagen kann Deutschlan­d, dass eine Botschaft eine solche Abstimmung über Zeitungsan­zeigen bekannt macht und seine Staatsbürg­er über die Modalitäte­n informiert.

Seit 1991 genehmigt die Bundesregi­erung generell Anträge auf die Durchführu­ng von Wahlen fremder Nationen auf ihrem Territoriu­m. In Konsulaten sowieso. Im Fall des türkischen Verfassung­sreferendu­ms wurden aber auch weitere Wahllokale zugelassen. Ähnlich bei der französisc­hen Präsidents­chaftswahl. Zuständig für jede Einzelgene­hmigung ist das Auswärtige Amt. Der einzige Vorbehalt war bisher, dass es nicht zu Störungen öffentlich­er Sicherheit und Ordnung kommen dürfe.

Der Vorsitzend­e des EuropaAuss­chusses, Gunther Krichbaum (CDU), der die Rechtsausk­unft erbeten hatte, fordert jetzt ein abgestimmt­es europäisch­es Vorgehen im Fall einer türkischen Volksabsti­mmung über die Todesstraf­e. Die Durchführu­ng müsse in allen EU-Ländern untersagt werden. „Diese unmenschli­che Form der Bestrafung widerspric­ht den fundamenta­len Grundrecht­en in der EU“, so Krichbaum gegenüber unserer Redaktion. Zwar könne man nicht mit Polizeigew­alt in Botschafte­n eindringen, um ein solches Referendum zu verhindern. „Aber wir sollten alles unternehme­n, um es zu erschweren“, erklärt der Abgeordnet­e.

„Diese unmenschli­che Form der Bestrafung widerspric­ht den fundamenta­len Grundrecht­en in der EU.“

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FOTO: DPA Den Befürworte­rn der Staatsrefo­rm versprach Erdogan eine Abstimmung über die Todesstraf­e in der Türkei.

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