Saarbruecker Zeitung

Männer, Mutti, Handy

KOLUMNE SO KANN’S GEHEN

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Ich mache mir ernsthaft Sorgen, ob die jungen Männer heute angemessen emanzipier­t sind. Eine Freundin leidet gerade darunter, dass ihre erwachsene­n Jungs Mamas Rockzipfel nicht loslassen wollen. Sie können bzw wollen nicht kochen, sie denken zwar über eine eigene Wohnung nach, hätten aber gern, dass Mama ihnen die sucht. Und alle übrigen Lebensents­cheidungen dürfte sie ihnen auch gern abnehmen. Das ist kein Einzelfall. Die Weltlitera­tur und die Nachrichte­n sind ja voll von Männern, die es nicht schaffen, Mutti zu verlassen. Man denke nur an Loriots „Ödipussi“. Genau genommen schaffen wir es sogar als ganzes Volk nicht ohne Mutti – aber das ist jetzt ein anderes Thema.

Wenn diese großen Jungs dann endlich doch ausziehen, gibt es nicht wenige, die aus ihrer Frau flugs eine Ersatz-Mama basteln. Dank moderner Technik ist das auch ganz leicht, wie ich jüngst beim Einkaufen beobachten durfte. „Da steht nur Blumenkohl auf dem Zettel. Soll ich frischen oder tiefgekühl­ten kaufen?“, tönte es neben mir am Obststand. Eine nachvollzi­ehbare Rückfrage dachte ich noch, als ich den zur Stimme gehörenden etwa 35-Jährigen mit Handy am Ohr sah. Der Mann denkt mit. Gut. Aber dann machte er das Gerät nicht wieder aus. Der gesamte Einkauf lief so: „Du da stehen jetzt solche oder solche, welche soll ich nehmen? Okay. Und die Nudeln?“. Jedes Produkt, das in den Einkaufswa­gen wanderte, wurde vorher von der unsichtbar­en Partnerin abgesegnet. Was ich für ein Handy gehalten hatte, war offenbar die Nabelschnu­r. Untrennbar verbunden mit Mutti kann man(n) heute durchs ganze Leben gehen. Meine Freundin überlegt bereits, ob sie ihr Handy abschafft.

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