Noch ist die Auto-Industrie stark im Land
Experten sorgen sich um die Zukunft des Standortes Saarland. Der Autobranche droht ein großer Umbruch.
SAARBRÜCKEN Kohlebergbau adé, Stahlindustrie auf Talfahrt: Im Saarland ist die Automobil-Zuliefererbranche mit 70 000 Beschäftigten in 160 Unternehmen und 14 Milliarden Euro Jahresumsatz das letzte große wirtschaftliche Standbein, geht aber als lediglich „verlängerte Werkbank großer Unternehmen“in eine äußerst risikoreiche Zukunft. Das war am Mittwochabend der Tenor beim ersten Zukunftsgespräch der Saarbrücker Casino-Gesellschaft am Staden. Der Geschäftsführer der Autoregion Saar e.V., Armin Gehl, richtete dabei heftige Vorwürfe gegen die Verantwortlichen der Landespolitik, die es versäumten, das Autoland Saar zukunftssicherer zu machen. Der Leiter der BMW-Niederlassung Saarland, Volker Arnold, prognostizierte, bis spätesten 2021 werde es das autonome Fahren geben. „In der Automobilindustrie wird sich in den nächsten zehn Jahren mehr verändern als in den letzten 100 Jahren“, sagte er.
Autoregion-Sprecher Gehl betonte, beim größten Arbeitgeber ZF Getriebe gebe es noch 8200 Beschäftigte mit abnehmender Tendenz, weil der ZF-Mutterkonzern sehr viel Produktionsleistungen nach Amerika und Ungarn auslagere. Beim Ford-Werk in Saarlouis würden mehr als ein Drittel der Focus-Autos für den britischen Markt produziert. Da drohe nach dem Brexit, wenn England Zölle einführe, große Unsicherheit. Der amerikanische Ford-Mutterkonzern wolle zudem nur noch einen großen Produktionsstandort in Europa und der heiße sehr wahrscheinlich Valencia in Spanien: „Im Moment ist noch davon auszugehen, dass der neue Ford-Focus die nächsten sechs Jahren noch in Saarlouis gebaut wird – aber was kommt danach ?“Ford sei in der Lage, innerhalb von vier Monaten die gesamte Produktion von Saarlouis nach Valencia zu verlagern. Auch Bosch in Homburg sei abhängig vom Mutterhaus in Stuttgart und drohe künftig zu vergebende Produktionen an ein anderes lohnkostengünstigeres Bosch-Werk mit nahezu gleichem Qualitätsstandard in der Türkei zu verlieren.
„Das sind alles Themen, mit denen sich die Politik befassen muss“, forderte Gehl: „Aber bislang hat es noch kein Politiker aus dem Saarland wahrgenommen, sich ins Auto zu setzen und nach Stuttgart oder München (zu den Mutterkonzernen) zu fahren, um dort Klinken zu putzen.“Da laufe keine Akquise, „da läuft überhaupt nichts“, sagte er. Im Speckgürtel Frankreich und im benachbarten Luxemburg werde deutlich mehr für die Autobranche getan. „Und auch in Rheinland-Pfalz hat Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) immer ein Ohr für das Auto.“
BMW-Niederlassungsleiter Arnold sagte, manche Autos seines Konzerns enthielten mehr als die Hälfte aller Teile aus dem Saarland. Aber auch er warnte: „Wenn Sie einen Trend verschlafen, sind Sie weg vom Fenster.“Enthalten bisherige Autos mit Verbrennungsmotor noch rund 2000 Bauteile, so haben Elektroautos nur noch sieben Bauteile. „Und da sind die Chinesen im Kopieren sehr gut“, hieß es. Zur Zukunft des autonomen Fahrens sagte Arnold, ein Mensch hinterm Steuer könne maximal 16 Eindrücke pro Sekunde gleichzeitig verarbeiten, ein autonomes Testauto komme dank Sensoren und Kameras jetzt schon auf acht Bilder pro Sekunde und jedes Jahr verdoppele sich dank Digitalisierung und moderner Technik diese Zahl. „Bald wird das autonome Fahren sicherer sein.“