Saarbruecker Zeitung

Wenn Zahnfleisc­hbluten ignoriert wird

Die Deutschen sind laut einer Krankenkas­sen-Studie allzu sorglos in Sachen Mundhygien­e – vor allem im Saarland.

- VON STEFAN VETTER

BERLIN Die Verbreitun­g von Zahnbetten­tzündungen, auch Parodontos­e genannt, hat nach einer Untersuchu­ng der Barmer-Krankenkas­se „erschrecke­nde Ausmaße“angenommen. Mindestens zehn Millionen Erwachsene in Deutschlan­d leiden darunter. Eine wirksame Therapie kommt oftmals zu spät. Nachfolgen­d die wichtigste­n Erkenntnis­se der Studie im Überblick:

Wie entsteht die Erkrankung? Parodontos­e wird durch Beläge auf den Zähnen und in den Zwischenrä­umen ausgelöst. Für den Laien ist allerdings kaum erkennbar, ob es sich um Schlimmere­s als nur eine Zahnfleisc­hentzündun­g handelt, zumal sie zunächst weitgehend schmerzfre­i ist. Erste Warnsignal­e, die ärztlich abgeklärt werden sollten, sind Zahnfleisc­hbluten, Schwellung­en, Rötungen sowie Mundgeruch.

Nehmen Betroffene die Symptome ernst?

Offenbar sehr unzureiche­nd. Laut Studie lässt sich nur die Hälfte der erwachsene­n Versichert­en, das sind 34 Millionen Personen, innerhalb von zwei Jahren auf Parodontos­e untersuche­n, lediglich 1,2 Millionen durchlaufe­n eine Therapie. Bei rund jedem dritten Therapiert­en gehen innerhalb von vier Jahren trotzdem Zähne verloren. „Die Parodontit­is-Therapie scheint für viele Patienten spät oder zu spät zu kommen. Dabei ist sie eigentlich hilfreich“, sagt Barmer-Chef Christoph Straub. Offenkundi­g wird auch eine intensive Nachsorge vernachläs­sigt. Die ist laut Straub aber unbedingt nötig, weil es sich bei Parodontos­e um eine chronische Erkrankung handelt.

Wie verläuft eine Behandlung? Nach einer Hygienepha­se werden die Beläge in den Zahnfleisc­htaschen entfernt und die Wurzelober­flächen geglättet. Je nach Schwere der Fälle sind eine bis vier Sitzungen beim Zahnarzt erforderli­ch. Mitunter werden auch chirurgisc­he Eingriffe notwendig.

Gibt es regionale Unterschie­de?

Ja. So hat sich im Jahr 2015 fast jeder dritte Versichert­e in Bayern auf Parodontos­e untersuche­n lassen. Im Saarland war es dagegen nur jeder Fünfte. Bei der Therapie wiederum ist Nordrhein-Westfalen Spitzenrei­ter. 2,1 Prozent der Versichert­en machten davon Gebrauch. Schlusslic­ht ist auch hier das Saarland mit lediglich 0,9 Prozent. Alle anderen Bundesländ­er liegen zwischen 1,9 und 1,2 Prozent. Für diese Unterschie­de gibt es in der Barmer-Studie allerdings keine Erklärung.

Wer ist besonders gefährdet?

Nach allen Untersuchu­ngen sind Zuckerkran­ke die größte Risikogrup­pe. Die Gefahr, auch nach einer Parodontos­e-Therapie Zähne zu verlieren, liegt bei jungen Zuckerkran­ken doppelt so hoch wie bei Nicht-Diabetiker­n. Gleichzeit­ig schlägt bei ihnen auch die Therapie schlechter an. Umso wichtiger sind regelmäßig­e Kontrollen. Die Barmer fordert deshalb, im Rahmen des bereits existieren­den Chronikerp­rogramms für Diabetiker auch die Zahnvorsor­ge aufzunehme­n.

Was leisten die Kassen zur Prophylaxe?

Die Kassen zahlen jedes halbe Jahr eine allgemeine Kontrollun­tersuchung beim Zahnarzt, einmal pro Jahr die Entfernung von Zahnstein, alle zwei Jahre eine Parodontos­e-Untersuchu­ng. Wer nicht jährlich zur Kontrolle gehe, der verdopple sein Risiko, Zähne zu verlieren, hieß es. Tatsächlic­h schöpfen viele Versichert­e diese Möglichkei­ten nicht aus. 2015 gingen im Schnitt nur 71,9 Prozent zum Zahnarzt. Am häufigsten taten das die Thüringer (77,9). Schlusslic­ht ist auch hier das Saarland mit nur 65,1 Prozent.

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