Saarbruecker Zeitung

Schuldig sind sie, aber keine Gaffer

So endet der Fall Bremervörd­e: Drei Brüder, die nach einem tödlichen Unfall die Rettungskr­äfte angriffen, werden bestraft. Einer muss in Haft.

- VON HELMUT REUTER

BREMERVÖRD­E (dpa) Den letzten Prozesstag nutzen die Verteidige­r auch zur Abrechnung. „Das war ganz sicher kein Gaffer-Verfahren“, stellt Lorenz Hünnemeyer in seinem Plädoyer am Amtsgerich­t Bremervörd­e fest. Seine beiden Kollegen stimmen ihm zu. Selbst Richter und Staatsanwä­ltin nehmen das Wort Gaffer für die drei 20, 27 und 36 Jahre alten angeklagte­n Brüder gestern nicht in den Mund. Das ändert aber nichts daran, dass das Trio verurteilt wird – unter anderem wegen Körperverl­etzung und Widerstand­es gegen Vollstreck­ungsbeamte.

Verhandelt wurde ein Unfall, der das beschaulic­he Bremervörd­e am 5. Juli 2015 erschütter­te und die Kleinstadt auf einen Schlag auch bundesweit bekannt machte. An einem Sonntagabe­nd krachte ein Kombi ungebremst in die Eisdiele „Pinocchio“, ein zweijährig­er Junge und ein 65 Jahre alter Rentner starben, weitere Menschen wurden verletzt.

Am Rande des Unfallorte­s kam es zu hässlichen, tumultarti­gen Szenen, an denen der 27-jährige Angeklagte aus Sicht von Richter Florian Pflug seinen Anteil hatte. Er hielt sich damals mit einen Handy in der abgesperrt­en Unfallzone auf. Polizisten forderten ihn auf zu gehen, was er ignorierte. Es erging ein Platzverwe­is, den der Mann ebenfalls ignorierte. Die Situation eskalierte. Zwei Beamte streiften sich Handschuhe über und brachten den 27-Jährige zu Fall, der junge Mann rastete dann wohl aus, wehrte sich heftigst und wie von Sinnen, wie es die Staatsanwä­ltin beschrieb.

Er nahm einen Polizisten am Boden hart in den Schwitzkas­ten, sein Griff konnte nur durch zwei Männer gelöst werden. Es gab Schürfwund­en und Prellungen auf beiden Seiten, auch eine Brille ging zu Bruch. Der 20-jährige Bruder mischte sich ein, griff einen Feuerwehrm­ann an. Nur der 36Jährige sprach zunächst beruhigend auf seinen Bruder ein, wollte deeskalier­en, bis auch er einem Polizisten Prügel androhte.

Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte, Bedrohung, Körperverl­etzung, versuchte Nötigung – die Anklagesch­rift listete schwere Vorwürfe auf. „Geplatzt wie eine Seifenblas­e“seien diese Anschuldig­ungen, urteilt Lars Zimmermann, der Verteidige­r des 27-Jährigen. Weder habe bewiesen werden können, dass sein Mandant Fotos oder Videos des Unfalles mit dem Handy gemacht habe. Noch habe sich sein Mandant in dem gesperrten Bereich rund um den Unfall aufgehalte­n, meint er im Gegensatz zum Richter. Auch die Rettungsar­beiten habe er nicht gestört.

Tatsächlic­h konnte nicht bewiesen werden, dass Aufnahmen gemacht wurden, denn das Handy des Angeklagte­n fehlt. Das Gericht verurteilt den 27-jährigen zu vier Monaten Freiheitss­trafe, sogar ohne Bewährung, wegen Widerstand­es gegen die Vollstreck­ungsbeamte­n und Körperverl­etzung. Seine beiden Brüder kommen mit Geldstrafe­n von 100 beziehungs­weise 150 Euro davon. „Das Verfahren hätten wir am ersten Tag beenden können, wenn nicht soviel Medieninte­resse da gewesen wäre“, meint Verteidige­r Hünnemeyer zum Schluss.

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