Saarbruecker Zeitung

„Wir haben alle schwarze Teile in uns“

INTERVIEW EMMANUEL PETERFALVI ALIAS ALFONS Was der Puschel-TV-Reporter über die französisc­he Präsidents­chaftswahl, Europa und die Deutschen denkt. SENDUNGEN

- Das Gespräch führten Oliver Schwambach und Jasmin Kohl. Das vollständi­ge Interview lesen Sie auf www.saarbrueck­er-zeitung.de/interviews

SAARBRÜCKE­N Starker französisc­her Akzent, orangefarb­ene Trainingsj­acke, Puschel-Mikro und ein großes Talent für Straßenumf­ragen mit pointierte­n Aussagen: Diese Merkmale machen Emmanuel Peterfalvi zu „Alfons“, dem unbeholfen­en Reporter. Die SZ traf ihn während der Dreharbeit­en von „Alfons & Gäste“auf dem Saarbrücke­r Halberg.

Wen würde Alfons bei den französisc­hen Präsidents­chaftswahl­en nächsten Sonntag wählen? PETERFALVI (lacht) Alfons darf nicht wählen, er ist eine Kunstfigur. Wenn er wählen könnte, ist es ja klar: Macron. Nicht für Macron, sondern gegen Le Pen. Der erste Wahlgang war eine Situation, die sehr unklar war. Viele Franzosen haben sich gefragt: Soll man das wählen, wofür man ist oder soll man das wählen, damit das, wogegen man ist, nicht kommt? Es ist also sehr, sehr merkwürdig gewesen. Es hieß, die Umfragen werden sich täuschen und nicht die Wahrheit sagen. Sie waren aber relativ exakt. Jetzt sagen die Umfragen: 60 Prozent Macron und 40 Prozent Le Pen – das glaube ich überhaupt nicht.

Was glauben Sie dann? PETERFALVI Ich glaube, Le Pen ist sehr schlau und damit sehr gefährlich. Sie hat bis zum ersten Wahlgang eine relativ schlechte Wahlkampag­ne gemacht, jetzt ist sie aber sehr erfinderis­ch. Macron schläft ein. Er denkt, er hat gewonnen. Das ist sehr gefährlich und das ist auch verantwort­ungslos. Er muss einfach verstehen, dass er viele Stimmen nur bekommen hat, um Le Pen zu verhindern. Also einige sind zwar für ihn, aber man weiß gar nicht, was er überhaupt machen will. Das einzige, was man weiß, ist, dass er seine Lehrerin rumgekrieg­t hat, als er siebzehn war. Das ist das einzige Argument, was zählt in Frankreich. Ansonsten gibt es nicht viel, was für ihn spricht – außer, dass er jetzt gegen Le Pen gewinnen muss. Und wenn er es so macht, wie er es gerade macht, ist es einfach schlecht. Das muss er schnell verstehen. Hoffentlic­h ist es nicht zu spät. Das riecht unangenehm. Das riecht nach Hillary Clinton gegen Donald Trump. Man dachte auch, Trump ist so merkwürdig, der wird nie gewählt... Das macht mir Angst.

Wird es also sehr knapp? PETERFALVI Ich weiß nicht, ich bin kein Hellseher. Ich glaube, es ist sehr gefährlich. Ich glaube nicht, dass es 60 zu 40 Prozent sein wird. Le Pen stellt sich sehr schlau an. Sie ist zurückgetr­eten von der Präsidents­chaft des Front National, was faktisch gar nichts ändert, aber symbolisch. Auf ihren Plakaten steht auch ihr Nachname nicht mehr. Sie distanzier­t sich von ihrem Vater. Sie ist auch nicht mehr gegen Europa, sondern für ein anderes Europa und da kann, glaube ich, fast jeder zustimmen. Europa ist wichtig, aber nicht in der heutigen Form. Wer sagt das nicht? Außer natürlich ein paar gierigen Kapitalist­en.

Was würde Alfons Emmanuel Macron und Marine Le Pen fragen? PETERFALVI Der würde wahrschein­lich erstmal Macron für seine Frau gratuliere­n. Bei Le Pen würde er wahrschein­lich fragen, warum sie kein Baguette unter den Arm kriegt und sie würde antworten, dass ab und zu Mal ein Hitlergruß sein muss und dann würde es immer runterfall­en. Ich würde Alfons aber nicht in diese Situation bringen wollen. Alfons ist eher gut mit normalen Menschen. Oder ich würde es ganz anders machen und den ganzen Wahlkampf begleiten, das würde ich gerne machen. Also zwei oder drei Wochen mit den Kandidaten jeden Tag zusammen zu sein. Mit Merkel und Schulz würde ich das auch gerne machen. Ich müsste noch nicht mal viel fragen, wenn ich einfach nur filmen dürfte – da bin ich mir sicher, ich würde ganz andere Situatione­n herauskrie­gen als andere Reporter.

Also kann Satire noch entlarven? PETERFALVI Da bin ich mir sehr sicher, dass sie das kann. Die Frage ist, ob die Türen dafür offen sind. Also ich gehe sicherlich einfacher in einen Schreberga­rten hinein als in das Regierungs­gebäude.

Das gute Abschneide­n von Le Pen hat auch mit der skeptische­n Haltung gegenüber der EU zu tun. Haben Sie Angst um Europa? PETERFALVI Ja, ich habe Angst. Ich habe das Gefühl, dass alle von Europa und der EU genervt sind und es gibt sicherlich viele Gründe, warum man das sein kann. Das blöde ist, dass man dann den Ursprung vergisst – also was ist die Ur-Idee davon? Und die ist: Wir haben jahrhunder­telang nur Kriege gegeneinan­der geführt und auf einmal gibt es schlaue Menschen, die sagen: Stopp, Kriege können wir gut, aber lasst uns mal was anderes ausprobier­en, wie wäre es mit Frieden? Und dann haben die Europa gemacht, nach dem Motto: Es ist ein Experiment. Und seit 70 Jahren bekriegen wir uns nicht mehr. Ich fände es doof, das Experiment jetzt sein zu lassen.

Haben Sie einen Tipp für Europa? PETERFALVI Wenn ich den hätte, hätte ich den schon angewendet. Die Zeit ist sehr doof. Viele Leute haben Angst und wollen einfache Lösungen, so ist der Mensch gestrickt. Aber für komplizier­te Probleme gibt es manchmal keine einfache Lösung. Es ist schwer, die richtige Waffe zu finden.

Jetzt hat uns eher Emmanuel Peterfalvi geantworte­t als Alfons. Was unterschei­det die beiden? PETERFALVI Zum Glück thematisie­re ich das nicht, das würde mich ziemlich verrückt machen. Sicher ist, dass relativ viel von mir in Alfons drin ist. Soviel kann ich sagen. Aber ich trenne das nicht so richtig. Es gibt auch manchmal Dinge, die ich auf der Bühne oder im Studio sage, wo man sich echt fragen könnte: Ist das wirklich der naive Alfons von den Umfragen? Alfons ist gewachsen, das ist schon mal sicher. Wenn man sich anguckt, wie Alfons vor Jahren zum Beispiel bei „Extra 3“gesprochen hat – das ist schon ziemlicher Wahnsinn, dass sich auch eine Kunstfigur entwickelt, wenn man ihr die Freiheit dazu lässt.

Was ist das Ziel von Alfons? PETERFALVI Mein Weg ist es schon, die Leute zum Nachdenken zu bringen, aber indem ich sie unterhalte. Auf der Bühne sieht man das viel besser als im Fernsehen. Das Fernsehen hat bestimmte Regeln, damit die Leute zappen können, man muss kurz sein, et cetera. Auf der Bühne kann ich die Leute mit viel mehr konfrontie­ren. In meinem Bühnenprog­ramm erzähle ich von meinem Vater, der von zuhause wegging und da gibt es zehn Minuten lang wirklich nichts zu lachen. Das ist viel schwierige­r im Fernsehen.

Sie stellen die Menschen bei Ihren Straßenumf­ragen ja oft bloß... PETERFALVI Nein, das mache ich nicht! Das ist mir auch sehr, sehr wichtig. Es gab auch noch nie eine Beschwerde. Was passieren kann, ist, dass ich Meinungen bloßstelle. Wenn jemand etwas rassistisc­hes sagt oder meint, wir bräuchten mal wieder eine kleine Diktatur. Dann will ich die Person nicht bloßstelle­n, aber ich finde interessan­t, dass es diese Meinung noch gibt. Ich finde vor allem interessan­t, dass das jemand sagt. Wenn man ehrlich ist: Wir haben alle schwarze Teile in uns – rassistisc­he, faschistis­che, kriminelle Teile. Es ist ein guter erster Schritt, zu akzeptiere­n, dass wir diese Teile haben. Das ist gesünder, als sich vor der Kamera total zu verstellen.

Emmanuel Peterfalvi

hat zwei Sendungen beim SR: Die Fernsehsho­w „Alfons & Gäste“und die Radiosendu­ng „SR-Gesellscha­ftsabend“auf SR2. Auf

SWR1 wirft er Freitag Morgens in „Bonjour Alfons“einen französisc­hen Blick auf das aktuelle Tagesgesch­ehen. Sein aktuelles Bühnenprog­ramm heißt „Das Geheimnis meiner Schönheit“. Alle Termine finden sich unter Und das ist die Regel. 99 Prozent der Leute, ich inklusive, versuchen vor einer Kamera intelligen­t zu wirken. Ich finde es extrem charmant, wenn einer die Fähigkeit hat – ich rede bewusst von Fähigkeit – sich zu öffnen.

Sie wollen nach 26 Jahren in Deutschlan­d Deutscher werden. Warum ausgerechn­et jetzt? PETERFALVI Olaf Scholz (Anm. d. Red.: Erster Bürgermeis­ter von Hamburg) hat mir einen sehr netten Brief geschriebe­n, nach dem Motto: Es ist so lange her, dass Sie hier sind und ich habe mir gedacht, wie wäre es, wenn Sie Deutscher werden? Ich war sehr geehrt von diesem Brief vom Bürgermeis­ter persönlich. Und dann habe ich erfahren, dass er diesen Brief 150 000 Leuten geschriebe­n hat (lacht). Ende Mai mache ich jetzt den Einbürgeru­ngstest.

Ihre Sketche leben von deutschfra­nzösischen Klischees. Nicht wirklich ein Beitrag zur Völkervers­tändigung...

PETERFALVI Ja, aber die stimmen auch, die Klischees. Ihr wart pünktlich, ich war zu spät, oder? (lacht) Mein Ziel ist es nicht, zur Völkervers­tändigung beizutrage­n. Wenn das ein Nebeneffek­t ist, dann freue ich mich. Ich will eher die Leute amüsieren und zum Nachdenken bringen. Ich finde es sehr witzig und damit spiele ich auch sehr viel, dass die Deutschen immer das Gefühl haben, dass alle diese Klischees stimmen. Ihr meint echt, dass ihr ein unmögliche­s Volk seid. Und ihr fragt euch: Wie kann ein Franzose überhaupt freiwillig in Deutschlan­d leben? Und das alles stimmt gar nicht. Aber wenn ich euch das sage, dann wollt ihr mir nicht glauben. Und mein Weg ist es, euch damit zu kitzeln. Und gleichzeit­ig zu sagen: Glaubt weiter daran, denn davon lebe ich.

Wie gucken die Franzosen denn auf die Deutschen?

PETERFALVI Eigentlich sehr normal und gesund. Sie sind überrascht, dass die Deutschen selbst sagen: Wir sind Langweiler, streng und mit uns geht’s gar nicht. Wir haben viel von Deutschlan­d zu lernen, sagen viele Franzosen.

alfons-fragt.de/auftritte

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FOTOS: OLIVER DIETZE „Ich will die Leute amüsieren und zum Nachdenken bringen“. Der naive Alfons hält den Deutschen gerne ihre eigenen Klischees vor.
 ??  ?? SZ-Redakteure Oliver Schwambach und Jasmin Kohl im Interview mit Emmanuel Peterfalvi. Direkt danach ging es zur Aufnahme von „Alfons & Gäste“.
SZ-Redakteure Oliver Schwambach und Jasmin Kohl im Interview mit Emmanuel Peterfalvi. Direkt danach ging es zur Aufnahme von „Alfons & Gäste“.

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