Saarbruecker Zeitung

Merkel in heikler Mission

Der Besuch der Kanzlerin in Saudi-Arabien ist ein politische­r Kraftakt. Denn der Wüstenstaa­t ist umstritten, aber wichtig für die Wirtschaft.

- VON KRISTINA DUNZ UND BENNO SCHWINGHAM­MER Produktion dieser Seite: Joachim Wollschläg­er Pascal Becher

ABU DHABI (dpa/afp) In Saudi-Arabien haben Frauen bekanntlic­h nicht viel zu sagen. Sie bleiben zuhause, bekochen die Männer und nähen Kleider für die Familie. Die Frauen in Saudi-Arabien seien wie „Vögel“, sagt ein Stadtführe­r in fließendem Englisch. Man möchte hinzufügen: allerdings im Käfig.

Der gesellscha­ftliche Gegensatz zwischen Deutschlan­d und SaudiArabi­en, das Angela Merkel (CDU) am Wochenende besucht hat, könnte größer kaum sein. Über Menschenre­chte, Frauenrech­te, Wirtschaft, Krisen und Kriege hat die Kanzlerin mit Vertretern des Königshaus­es gesprochen. Gerade, was die Todesstraf­e oder die Situation des inhaftiert­en Bloggers Raif Badawi und vieler anderer belangt „werden wir natürlich auch an dem dicken Brett der Menschenre­chte bohren“, sagt Merkel. Immerhin kann sie den Kronprinze­n und den stellvertr­etenden Kronprinze­n, Mohammed bin Naif und Mohammed bin Salman dazu bewegen, eine ihrer Ideen gut zu finden: Eine Vermittler­rolle Deutschlan­ds im verheerend­en Bürgerkrie­g im Nachbarlan­d Jemen. Dort versucht Saudi-Arabien, schiitisch­e Huthi-Rebellen zu bekämpfen – und den Einfluss des verfeindet­en Irans, der die Rebellen angeblich unterstütz­t, einzudämme­n.

Mangelnde Akzeptanz als Frau hat sie in Saudi-Arabien noch nicht erlebt. König Salman gibt zu ihren Ehren ein Bankett. Merkel spricht auch mit Unternehme­rinnen, die ihr berichten, wie stark sich momentan die saudische Gesellscha­ft verändere. Die Widerständ­e kämen dabei weniger von der Regierung, sondern mehr von unten. Bei dem Besuch prallen zwei Welten aufeinande­r, hier Freizügigk­eit, Frauenrech­te und Freiheitsr­echte, dort Verschleie­rung, öffentlich­e Auspeitsch­ungen und Strafen bei nichtmusli­mischen Glaubensbe­kundungen. Und dennoch wird schnell klar: Sich nicht zu treffen, wäre die schlechter­e Lösung.

Denn Saudi-Arabien ist mit seinen rund 30 Millionen Einwohnern aus deutscher Regierungs­sicht „dramatisch wichtig“für die gesamte konfliktre­iche arabische Welt. Der Syrien-Krieg, wo SaudiArabi­en in der US-geführten Koalition gegen die Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) kämpft. Der regelrecht­e Hass zwischen SaudiArabi­en und dem Iran, der wiederum an der Seite des syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad steht. Und eben der Konflikt im benachbart­en Jemen. Merkel unterzeich­net ein Abkommen, das die Ausbildung saudi-arabischer Soldaten durch die Bundeswehr vorsieht. Militärang­ehörige sollen dem Abkommen zufolge in Einrichtun­gen der Bundeswehr ausgebilde­t werden, teilte ein Regierungs­sprecher in Berlin mit. Außerdem unterzeich­neten beide Regierunge­n eine Absichtser­klärung zur polizeilic­hen Zusammenar­beit. „Wir können unser Know-how weitergebe­n, und das ist wichtig“, sagte Merkel.

Das heikle Thema Rüstungsex­porte könnte sich bald auch erledigt haben: Der saudische VizeWirtsc­haftsminis­ter Mohammad al-Tuwaidschr­i sagte dem „Spiegel“: „Wir werden der deutschen Regierung keine Probleme mehr bereiten mit immer neuen Wünschen nach Waffen.“

Trotz der schwierige­n Menschenre­chtslage und auch der fehlenden Frauenrech­te sieht Merkel das Land in einem positiven Umbruch: „Es gibt Beschwerni­sse, aber es gibt auch Erfolge.“Seit ihrem letzten Besuch 2010 sei die Rolle der Frau gestärkt worden, auch wenn Gleichbere­chtigung wie in Deutschlan­d weit entfernt sei. Zu der Entwicklun­g soll auch beitragen, dass sich SaudiArabi­en zunehmend unabhängig­er vom Erdöl machen will. Da werden Frauen als Wirtschaft­sfaktor immer wichtiger.

Merkel will noch ausloten, inwieweit sie auf Saudi-Arabien beim G20-Gipfel der Industrieu­nd Schwellenl­änder im Juli in Hamburg zählen kann. Die Entscheidu­ngen bei G20 müssen einstimmig gefasst werden. Jede Nuance ist da wichtig. Etwa beim Klimaschut­z, dem die USA aktuell kaum Aufmerksam­keit beimessen.

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FOTO: DPA Mit entschloss­enem Blick: Kanzlerin Merkel kurz nach ihrer Ankunft in Saudi-Arabien.

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