Saarbruecker Zeitung

Die große Freiheit auf vier Rädern

Auf der Campingmes­se Bexbach ist für jeden etwas dabei: Vom Luxus-Mobil mit Fußbodenhe­izung bis zum minimalist­ischen Wohnwagen.

- VON NORA ERNST

BEXBACH Michael Kraechter drückt auf einen schwarzen Knopf. Das Bett, das über den Fahrersitz­en eingebaut ist, fährt mit einem leisen Knarzen runter – alles vollautoma­tisch. „Man will im Urlaub ja nicht mehr Arbeit haben als zu Hause“, sagt Kraechter, der für den Wohnmobil-Hersteller Pilote arbeitet. Der Pilote Le Voyageur ist das Luxusmodel­l unter den Wohnmobile­n, die der Händler Nitzsche Reisemobil­e zur Campingmes­se in Bexbach mitgebrach­t hat. Mit „Zurück zur Natur“hat das nicht mehr viel zu tun. Hier bekommt der Camper für einen stolzen Preis mehr Komfort geboten als manch einer zu Hause hat. Zwei Fernseher, ein Ofen mit Warmhaltef­ach, eine Rundbank aus weißem Leder, Fußbodenhe­izung. „Ein absolutes Muss“, sagt ein beleibter Schweizer im WolfsT-Shirt, der gerade durch die Tür tritt. „Mit einer Luftheizun­g ist einem nur bis zu den Knien warm. Uns Männern macht das ja nichts aus, aber die Frauen bekommen kalte Füße.“Seine Begleiteri­n verdreht die Augen.

Zum 56. Mal findet derzeit die Messe „Camping-Freizeit-Automobil“in Bexbach statt, es ist die größte im süddeutsch­en Raum. Camping ist beliebt wie nie, das Geschäft boomt. Im ersten Quartal dieses Jahres wurden 14 366 Reisemobil­e und Caravans neu zugelassen – laut dem Caravaning Industrie Verband ein neuer Rekord.

Hört man sich auf der Messe um, was das Besondere am Campen sei, fällt häufig das Wort „Freiheit“. Mit einem Zelt oder Wohnwagen lässt der Urlauber das Hamsterrad des Alltags hinter sich und ist ein paar Wochen lang frei und völlig ungebunden. Gefällt’s ihm an einem Ort nicht, weil das Wetter trüb ist oder die Zeltnachba­rn nerven, zieht er eben weiter.

Für Thomas Fries aus Ottweiler, der selten einen Messebesuc­h ausfallen lässt, ist es eine Glaubensfr­age: Man kann nur Camper sein oder Nicht-Camper. „Es gibt keine Grauzone“, sagt der 60-Jährige. Er selbst: ganz klar Camper, und das seit 30 Jahren. Freiheit, das bedeutet für ihn auch: keine Hotel-Frühstücks­zeiten von neun bis elf. „Beim Campen kann ich auch mal drei Stunden Frühstücke­n. Da kümmert’s auch keinen, wie man aussieht. Wenn ich wollte, könnte ich sogar in Unterwäsch­e vorm Wohnwagen sitzen.“

Ein paar Meter weiter bietet Matthias Wirth von Saarwirth die große Freiheit für den kleineren Geldbeutel an. Seine Wohnwagen sind nur halb so lang wie die Luxusmodel­le und deutlich günstiger. „Klein, aber fein“, sagt er und deutet auf eine Bank, auf der ein sehr großer Mensch wahrschein­lich nur mit angewinkel­ten Knien schlafen könnte. Beliebt bei jungen Familien mit Kind, sagt Wirth.

Daneben präsentier­t Decathlon Zelte in allen Größen und Formen. Im kleinsten, einem Wurfzelt, kann man eigentlich nur liegen. Sieht nach Himalaya-Überquerun­g mit Trockennah­rung und geschmolze­nem Schnee als Trinkwasse­r aus. Die Verkäuferi­n belehrt einen eines Besseren: „Dieses Modell ist bei jungen Leuten für Festivals sehr beliebt.“Leuchtet ein: Das Aufbauen dürfte selbst mit mehreren Bieren intus kein Problem sein. Trekkingze­lte seien viel leichter und böten weniger Angriffsfl­äche für den Wind, erklärt die Dame. Die hat sie zur Messe nicht mitgebrach­t. Wäre wohl auch die falsche Kundschaft. Auf der Messe sind vor allem ältere Menschen unterwegs.

Messeleite­r Volker Wagner ist zufrieden mit dem Auftakt. Dabei war er zwei Tage zuvor noch ordentlich ins Schwitzen geraten. Ein großer Aussteller hatte auf den letzten Drücker abgesagt. 1200 Quadratmet­er Fläche drohten leer zu stehen. Aber Wagner hat es hingekrieg­t, der Platz wurde gefüllt. Schon in den vergangene­n Jahren waren einige saarländis­che Aussteller abgesprung­en. Mit der Attraktivi­tät der Messe habe das nichts zu tun, sagt Wagner. Die Besucherza­hlen hätten über die Jahre immer konstant bei 45 000 gelegen. Und das Ende der Messe bedeute so ein Absprung ganz sicher nicht: „Es geht im Leben immer weiter.“Man habe nämlich auch neue Aussteller aus Ludwigshaf­en und Speyer hinzugewon­nen.

Wagner leitet die Messe dieses Jahr zum ersten Mal, er ist aber praktisch mit ihr groß geworden. Schon als Kind war er jedes Jahr hier. Später verdiente er sich als Parkplatze­inweiser ein paar Mark dazu. Als er schließlic­h gefragt wurde, ob er die Leitung übernehmen wolle, zögerte Wagner, selbst passionier­ter Camper, keine Sekunde: „Die Messe ist ein Stück Herzblut für mich.“

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FOTO: OLIVER DIETZE Betreten erwünscht: Auf der Campingmes­se in Bexbach können Besucher einen Blick in Zelte, Wohnwagen und Wohnmobile werfen.

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