Saarbruecker Zeitung

Kein Nachschub mehr für Cattenom?

Atomkraftg­egner legen ein Gutachten vor, das deutsche Brenneleme­nte-Lieferunge­n an Pannenreak­toren gesetzeswi­drig nennt.

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BERLIN/AACHEN (epd) Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) könnte nach Auffassung von Anti-Atomkraft-Initiative­n und der Ärzteorgan­isation Internatio­nale Ärzte zur Verhütung des Atomkriege­s und in sozialer Verantwort­ung (IPPNW) die Exporte von Brenneleme­nten aus Lingen für belgische und französisc­he Pannenreak­toren verbieten. Sie müsse diese Lieferunge­n sogar untersagen, sagte die IPPNW-Europavors­itzende Angelika Claußen jetzt in Berlin bei der Vorstellun­g eines Rechtsguta­chtens. Das Gutachten stammt von der Juristin Cornelia Ziehm, die sich auf Atomrecht spezialisi­ert hat.

„Die Bundesregi­erung darf sich nicht weiter hinter unhaltbare­n Rechtsausl­egungen verschanze­n, in der die Wirklichke­it völlig ausgeklamm­ert wird“, sagte Claußen. „Das Leben und die Gesundheit der Bevölkerun­g haben eindeutig Vorrang.“Atomkraftg­egner aus NRW unterstütz­ten die Forderung. „Wir werden nicht locker lassen, ein sofortiges Moratorium der Brenneleme­nte-Lieferunge­n nach Belgien zu fordern“, erklärte Walter Schumacher vom Aachener Aktionsbün­dnis gegen Atomanlage­n. In Aachen seien die Gefahren durch das belgische „Risse-AKW“ Tihange 2 allen im Bewusstsei­n.

Die Brenneleme­ntefabrik Lingen (Emsland) ist ebenso wie die Urananreic­herungsanl­age im westfälisc­hen Gronau vom deutschen Atomaussti­eg ausgenomme­n. Beide Anlagen beliefern unter anderem die grenznahen Atomkraftw­erke Tihange und Doel in Belgien sowie Fessenheim und Cattenom in Frankreich. Diese Reaktoren weisen Experten zufolge hohe Sicherheit­smängel auf und mussten nach Pannen und Materialfe­hlern immer wieder abgeschalt­et werden. Deshalb hatte Hendricks die belgische Regierung zur Stilllegun­g von Tihange und Doel aufgeforde­rt.

Nach IPPNW-Angaben streitet die Ministerin ab, dass sie rechtliche Möglichkei­ten für ein ExportVerb­ot habe. Sie berufe sich dabei auf ein vom Umweltmini­sterium beauftragt­es Gutachten. Ziehm verweist dagegen auf das deutsche Atomgesetz. Danach dürfe die Ausfuhr von Kernbrenns­toffen nur genehmigt werden, wenn dadurch die Sicherheit Deutschlan­ds nicht bedroht werde.

2016 wurden Brenneleme­ntelieferu­ngen von Lingen an die Reaktoren Doel 3 und Tihange 2 genehmigt. Die aktuelle Transportg­enehmigung des Bundesamte­s für kerntechni­sche Entsorgung­ssicherhei­t umfasst 50 Transporte nach Belgien bis April 2018. Die beiden Reaktoren in Fessenheim wurden letztmalig 2014 und 2015 mit Brenneleme­nten aus Lingen beliefert. Sie reichen nach Angaben des Betreibers EdF für einen Betrieb bis zum Frühjahr 2018.

„Das Leben und die

Gesundheit der Bevölkerun­g haben eindeutig Vorrang.“

Angelika Claußen

Internatio­nale Ärzte zur Verhütung des Atomkriege­s und in sozialer Verantwort­ung

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FOTO: CHRISTOPHE KARABA/DPA Die Meiler des AKW Cattenom laufen auch mit Brenneleme­nten aus Deutschlan­d.

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