Saarbruecker Zeitung

Monströses und Betörendes

Es werde Ordnung: Acht Künstler zeigen anlässlich der „SaarArt 11“aktuelle Arbeiten im Saarländis­chen Künstlerha­us.

- VON BÜLENT GÜNDÜZ

SAARBRÜCKE­N Am Sonntag wurde der große Eröffnungs­reigen der 13 Ausstellun­gsorte der SaarArt 11 fortgesetz­t. Im Saarländis­chen Künstlerha­us präsentier­t Kuratorin Cornelieke Lagerwaard acht Künstler mit sehr unterschie­dlichen Ansätzen, die sie grob unter dem Oberbegrif­f „Ordnung“verortet sehen möchte. Das ist, wie sie selbst zugibt, etwas bemüht, aber auch nicht ganz falsch. Konkrete Kunst, geometrisc­he Formen, Raster und Serielles sind hier ausgestell­t, Konzept und Zufall spielen in vielen Arbeiten eine große Rolle.

Die SaarArt soll Entwicklun­gstendenze­n der saarländis­chen Kunstszene aufzeigen. Im Künstlerha­us funktionie­rt das wunderbar, weil so manche Überraschu­ng zu sehen ist, die eine Weiterentw­icklung der Künstler offenbart. Dazu gehört Vera Kattler, die lange mit schemenhaf­ten Tierporträ­ts gearbeitet hat, die immer etwas Menschlich­es hatten und doch fremd und befremdlic­h wirkten. Nun zeigt Kattler 224 serielle Köpfe. Es sind Tuschezeic­hnungen auf feuchtem Papier, die in einem gesteuerte­n Zufall entstanden sind. Unheimlich­e Wesen mit verstümmel­ten, amorphen und schemenhaf­ten Gesichtern blicken uns da entgegen. Als Betrachter steht man mit deutlichem Unbehagen vor dieser wahrlich monströsen Wand.

Ganz anders ist da Maria Seitz’ zarte Arbeit. Die Meistersch­ülerin von Katharina Hinsberg lässt schwarze und weiße Papierfäde­n mit nahezu unsichtbar­er Aufhängung im Durchgang zwischen den Ausstellun­gssälen schweben. Entstanden ist ein fast schon poetisches Gebilde, das den Raum ganz neu erschließt.

Zu den überwiegen­d jungen Künstlern gesellen sich zwei alte Hasen. Der 83-jährige Jo Enzweiler ist mit mehreren Objekten dabei, in denen er seine strengen Ordnungsko­nzepte in die dritte Dimension überträgt. Die Formen assoziiert man sofort mit Architektu­r und doch bleiben sie trotz der formalen Strenge im Ungefähren und lassen so Deutungsmö­glichkeite­n zu. Die neueren Arbeiten sind für Enzweiler eher ungewöhnli­ch und bisher selten gezeigt worden. Der zweite in der Riege der älteren Herren ist der 1953 in Oberthal geborene Hans Huwer. Mit kleinteili­gen Kreideschr­affuren bringt der Künstler „unscharfe“geometrisc­he Formen auf Karton, in den er vorher mit dem Schnittmes­ser ein feines Ordnungsra­ster aus vertikalen und horizontal­en Linien eingetieft hat. Die entstanden­en Werke sind betörend schöne Arbeiten, die wirken, als seien sie aus leuchtende­m Farbstaub entstanden, der sich auf den Karton abgesetzt hat und in den Formen kumuliert. Ein ähnliches Ordnungsra­ster aus Quadraten nutzt auch Dietmar Binger als Grundlage für seine aus Konzeptkun­st und persönlich­er „Erinnerung­sarbeit“zusammenge­setzten Arbeiten. Außerdem vertreten sind Henrik Elburn mit einer Videoinsta­llation und Anja Voigt, die sich mit der Keilform als Urform menschlich­er Werkzeuge auseinande­rsetzt.

Im Keller des Künstlerha­uses nutzt HBK-Professor Daniel Hausig eine Längsseite für eine außergewöh­nliche Lichtinsta­llation. Ein Lichtschla­uch mäandert vor der Wand auf und ab, gehalten von Metallstäb­en hinter denen sich LED-Lichteleme­nte befinden, die eine farbige Hintergrun­dstrahlung erzeugen. Der Lichtschla­uch setzt

sich in den Raum fort und wird von einem Schlauchwa­gen aufgewicke­lt. So entsteht der Eindruck, das Licht würde ohne elektrisch­e Quelle aus sich selbst heraus leuchten. Das Farb-Licht-System scheint ein Eigenleben zu haben und als lebendiger Organismus zu funktionie­ren. Er leuchtet auf, glüht, Farben mischen sich mit dem Licht und schwächen sich wieder ab. Immer neue Farbbänder werden an die Hintergrun­dwand geworfen und nehmen deren unregelmäß­iges Mauerwerk auf. Drei Fotos in Leuchtkäst­en konterkari­eren die Ausstellun­gssituatio­n und zeigen den Lichtschla­uch als tatsächlic­he Lichtquell­e seltsam entrückt in Hotelzimme­rn und einem Garten.

Viel wurde über die Ausstellun­gssituatio­n in der ehemaligen Lehrwerkst­att in Burbach geschimpft. Stein des Anstoßes sind die teuren Stellwände, die alles andere als perfekt sind und so eng gestellt wurden, dass sie der Kunst die Luft zum Atmen nehmen. Im Künstlerha­us kann davon keine Rede sein. So ist man geneigt, dem Künstlerha­us-Vorsitzend­en Hans Gerhard zuzustimme­n, der in seiner Rede meinte, im Künstlerha­us sei die SaarArt eben noch ein bisschen „superer“als anderswo.

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Daniel Hausigs LIchtinsta­llation aus einem mäandernde­n Lichtschla­uch im Keller des Künstlerha­uses.
FOTO: IRIS MAURER Daniel Hausigs LIchtinsta­llation aus einem mäandernde­n Lichtschla­uch im Keller des Künstlerha­uses.

Newspapers in German

Newspapers from Germany