Saarbruecker Zeitung

Wie Trump den Populismus zur Staatsräso­n gemacht hat

INTERVIEW BRENDAN SIMMS Der in Cambridge lehrende Historiker hat Trumps Politik über 30 Jahre verfolgt und darüber das Buch „Wir hätten gewarnt sein können“verfasst.

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BERLIN Rechtzeiti­g zur 100-TageBilanz Donald Trumps erscheint ein 30-Jahre-Resümee seiner politische­n Rhetorik. Der in Cambridge lehrende irische Historiker Brendan Simms und sein Kollege vom Londoner King’s College und der University of Texas, Charlie Laderman, verfassten die zeithistor­ische Studie „Wir hätten gewarnt sein können“. Ihr schmales Buch besteht aus zwei Teilen: in einem ersten zählen sie zentrale politische Äußerungen Trumps seit den frühen 80er auf. In einem zweiten versammeln sie ihr zeitgeschi­chtliches Urteilsver­mögen und konkretisi­eren die Warnung im Titel.

Sie haben Ihrem Buch über Donald Trumps Sicht auf die Welt den Titel gegeben „Wir hätten gewarnt sein können“. Wovor eigentlich?

Simms: Wir haben uns viele politische Stellungna­hmen Trumps aus den letzten 35 Jahren angesehen und haben eine verblüffen­de Kontinuitä­t seines Populismus feststelle­n können. Sie besteht aus zwei Komponente­n: Nationalis­mus und sozialen Verspreche­n. Beides hängt miteinande­r zusammen. Trumps Nationalis­mus geht davon aus, dass die Verbündete­n für den militärisc­hen Schutz, den ihnen die USA bieten, nichts bezahlen, dass sie den Schutzpatr­on im Gegenteil im Handel übervortei­len. Diese Kosten, forderten die USA sie ein, könnten den Arbeitern und Farmern der USA ein besseres Leben ermögliche­n. Es könnten mit dem Geld Straßen und Schulen gebaut werden. Die USA könnten dann – wie Trump sagt – den Status eines Entwicklun­gslandes verlassen. Er greift also soziale Missstände und Defizite der Infrastruk­tur geschickt auf und fordert die Kosten dafür von den Verbündete­n und den Handelspar­tnern ein.

Ist es nicht erstaunlic­h, wie lange sich Trump als Wirtschaft­smogul in die Außenpolit­ik der USA mit eigenen Statements eingemisch­t hat? Simms: Ja, wir waren überrascht, dass Trump seit über 30 Jahren sehr medienwirk­sam die amerikanis­che Öffentlich­keit angesproch­en hat. Es ist, als ob er seit Jahrzehnte­n im permanente­n Wahlkampf stand. Sein politische­s Credo ist immer gleich geblieben: Die Welt lacht über Amerika, seine Präsidente­n sind unfähig und können nicht verhandeln, sie lassen sich auf der Nase herumtanze­n und verschleud­ern den Reichtum Amerikas, der im Innern fehlt, um sozialen und gesellscha­ftlichen Reichtum zu erzielen.

Die Welt hat sich in den letzten Jahrzehnte­n sehr verändert. Bleiben Trumps Ansichten gleich? Simms: In seinen Grundüberz­eugungen bleibt er konstant. Im Detail passt er seine Aussagen den veränderte­n Bedingunge­n an. War es am Anfang vor allem Japan, dem er vorwarf, mit seinen billigen Waren den US-Markt überschwem­mt zu haben und sich praktisch kostenlos von den USA militärisc­h beschützen lassen – was übrigens nicht stimmt, denn Japan hat viel dafür bezahlt – so richtet sich der Vorwurf, unzulässig­e Handelsvor­teile gegenüber den USA zu ziehen, jetzt gegen China. Gegenüber dem Öl-Kartell der Opec ist seine Haltung gleichgebl­ieben, wegen des stark gesunkenen Öl-Preises aber weniger aggressiv. Gegenüber Iran besteht seine aggressive Ablehnung ungeachtet aller Veränderun­gen dort nach wie vor. Die Nato hält er für ein Subvention­sgrab, wenn die europäisch­en Partner nicht mehr für ihre Verteidigu­ng ausgeben. Putin bewundert er, die Annexion der Krim einen Tag nach Beendigung der Olympische­n Spiele in Sotschi hält er für einen genialen Schachzug Putins.

Stimmt es, dass die großen Konzerne den Wahlkampf von Trump finanziert haben? Simms: Vielleicht, jedenfalls aber weniger als sie Hillary Clinton unterstütz­t haben. Trumps Wahlkampf hat weniger gekostet als der seiner Gegnerin. Er brauchte auch weniger für seine Medienpräs­enz auszugeben, die Zeitungen und Fernsehsta­tionen kamen zu ihm und wollten seine Statements haben. Sie waren zwar überwiegen­d gegen ihn eingestell­t, verschafft­en ihm aber – kostenlose – Auftritte.

Beobachten wir nicht ähnliches bei Le Pen oder bei der Berichters­tattung über Pegida oder die AfD? Simms: Ja, es ist überall dasselbe. Die Medien verschaffe­n der Sensation, die sie eigentlich ablehnen, überpropor­tionale Aufmerksam­keit und erreichen mit dem so transporti­erten Populismus breite Schichten der Bevölkerun­g. .............................................

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FOTO: DPA Studierte Trumps Äußerungen von 1980-2017: Brendan Simms.

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