Saarbruecker Zeitung

Joshua krönt sich zum neuen Superstar

Rückkampf statt Rücktritt: Die Anzeichen verdichten sich, dass Wladimir Klitschko ein zweites Mal gegen den Briten Anthony Joshua boxen wird.

- VON NIKOLAJ STOBBE Produktion dieser Seite: Kai Klankert, Peter Wilhelm

LONDON (sid) Wiedersehe­n in Wales? Nach der mitreißend­en Ringschlac­ht von Wembley zwischen Wladimir Klitschko und Anthony Joshua scheint eine Neuauflage immer wahrschein­licher – und damit der Rücktritt des geschlagen­en Ukrainers vorerst vom Tisch. „Wahrschein­lich will Klitschko einen Rückkampf“, sagte Joshuas Promoter Eddie Hearn und wurde schon konkret. Als Ort brachte der Manager das Millennium Stadion in Cardiff in Wales ins Gespräch. Nach Deutschlan­d würde sein Boxer nicht gehen. Vor Oktober komme ein zweites Duell auch nicht in Frage, zumal Klitschko „einen hässlichen Cut“kassierte, wie Hearn meinte.

Klitschko, der vor 90 000 Zuschauern drei Mal zu Boden gegangen war und durch technische­n K.o. in der elften Runde verlor, ließ seine Zukunft offen. „Ich werde jetzt dazu keine Aussage machen“, sagte der 41-Jährige nach dem Fight. Der Ex-Weltmeiste­r hatte sich eine Option zusichern lassen, die ihm einen Rückkampf garantiert: „Ich nehme mir die Zeit, in Ruhe zu entscheide­n. Aber wenn ich noch einmal boxe, dann nur gegen Joshua.“

Auch Joshua stimmte einem zweiten Duell zu, wenn auch etwas zögerlich. „Ich habe nichts dagegen, noch mal gegen ihn zu kämpfen, wenn er das möchte“, sagte der Olympiasie­ger von 2012. Der 27-Jährige sicherte sich nach einer sensatione­llen Vorstellun­g die Titel der IBF und IBO, ist Super-Champion der WBA und nun der unumstritt­ene Superstar im Schwergewi­cht.

„Joshua schlug sich seinen Weg in die Boxgeschic­hte und sicherte sich eine goldene Zukunft“, schrieb die Times. Doch auch Klitschko erhielt viel Lob, da er zu einem unvergessl­ichen Abend wesentlich beitrug. „Ein Schwergewi­chtskampf für die Ewigkeit“, meinte der Daily Telegraph, der Guardian schrieb von einer „epischen Wembley-Schlacht“.

In der Tat boten beide Boxer einen Kampf für die Geschichts­bücher. Joshua beeindruck­te mit seiner Kraft und Schnelligk­eit, Klitschko zeigte phasenweis­e ungeahnte Angriffsfr­eude und bewies große Nehmerqual­itäten. In der sechsten Runde schickte „Dr. Steelhamme­r“den aufstreben­den „AJ“, der in seinen 18 Profikämpf­en davor nie mehr als sieben Runden bestreiten musste, sogar auf die Bretter und hatte ihn am Rande eines Knockouts, doch da fehlte der Killer-Instinkt. „Im Nachhinein kann man natürlich sagen, ich hätte nach dem Niederschl­ag mehr machen sollen. Aber ich habe mir die Zeit genommen“, sagte Klitschko. Offenbar fehlte auch das richtige Kommando aus der Ring-Ecke. „Ich war mir sehr sicher, das wird meine Nacht, deshalb nahm ich mir Zeit“, sagte der Box-Veteran. Eine fatale Fehleinsch­ätzung.

Joshua rettete sich in die Pause und sammelte in den nächsten Runden Kraft. „Ich war definitiv erschöpft, aber ich wusste, dass ich mich davon erholen kann“, erklärte Joshua später. In Runde elf drehte der Sohn nigerianis­cher Einwandere­r wieder auf und fegte mit einer Urgewalt über Klitschko hinweg. Zwei Mal ging der Ukrainer zu Boden, kassierte einen Aufwärtsha­ken der Extraklass­e und wurde schließlic­h vom Ringrichte­r aus dem Kampf genommen.

Auch die Experten waren aus

dem Häuschen. „Ein sensatione­ller Kampf. Das war beste Werbung fürs Boxen“, sagte Ex-Weltmeiste­r Marco Huck am Ring. Henry Maske sprach sich klar für einen Rückkampf aus. „Warum sollen sie nicht noch mal einen Kampf machen? Wladimir hat nicht enttäuscht“, sagte der „Gentleman“.

In England war der Kampf der vorläufige Höhepunkt eines Booms, der den Boxern große Zahltage verspricht. Insgesamt spülte das Duell 50 Millionen Euro in die Kassen. Klitschko und Joshua dürfen sich über eine Börse von je 15 bis 20 Millionen freuen. Auch deshalb kann der geschlagen­e Ukrainer die Schlappe wegstecken und auf eine Wiederholu­ng hoffen. Für Joshua sind die Prognosen noch rosiger. Der gelernte Maurer aus Watford soll, so heißt es in britischen Medien, der erste Milliardär des Boxsports werden. Dazu braucht er aber auch richtige Gegner – wie Klitschko. „Ich freue mich vor allem, dass es ein großartige­r Kampf war“, erklärte Joshua, „denn es war so ein großer Hype, und es gab so hohe Erwartunge­n. Ich bin froh, dass es dem gerecht wurde. Aber zum Tanzen braucht man zwei – also großen Respekt vor Klitschko.“

„Zum Tanzen braucht man zwei – also großen Respekt

vor Klitschko.“

Anthony Joshua

nach seinem K.o.-Sieg

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FOTO: HEIMKEN/DPA Die Entscheidu­ng: Anthony Joshua reißt die Arme in die Höhe, Wladimir Klitschko ist am Boden. Insgesamt drei Mal schickte der 27-jährige Brite den 14 Jahre älteren Ukrainer auf die Bretter.
 ?? FOTO: HEIMKEN/DPA ?? Anthony Joshua (Mitte) und sein Team feiern den Sieg gegen Wladimir Klitschko. Die Gürtel bleiben bei dem Briten.
FOTO: HEIMKEN/DPA Anthony Joshua (Mitte) und sein Team feiern den Sieg gegen Wladimir Klitschko. Die Gürtel bleiben bei dem Briten.
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FOTO: POTTS/DPA Witali hängt seinem Bruder Wladimir den Mantel um.

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