Saarbruecker Zeitung

„Jeder hat eine zweite Chance verdient“

Ringer Timo Badusch fliegt zur EM nach Serbien. Vor gut drei Jahren war der Köllerbach­er fast raus.

- VON PATRIC CORDIER

SAARBRÜCKE­N Timo Badusch trat zur Titelverte­idigung bei den deutschen Meistersch­aften im griechisch-römischen Stil am vergangene­n Wochenende in Plauen nicht an, doch das störte den Ringer des KSV Köllerbach nicht die Bohne. „Nach meinem Erfolg beim Thor-Turnier hatte mir der Bundestrai­ner eine Teilnahme bei der Europameis­terschaft in Aussicht gestellt“, erzählt der 26-Jährige: „Von daher kam die Nominierun­g nicht überrasche­nd.“

Badusch fliegt daher diese Woche nach Serbien. Am kommenden Sonntag ringt er in Novi Sad um europäisch­es Edelmetall, da mussten die deutschen Titelkämpf­e hintansteh­en. „Ich denke nicht an Medaillen. Ich will an diesem Tag einfach nur meine beste Leistung auf die Matte bringen“, sagt Badusch: „Gelingt das, habe ich sicher Chancen.“

Badusch bei der Europameis­terschaft? Daran hätte vor gut drei Jahren kaum jemand geglaubt. Der Köllerbach­er war im Grunde raus aus dem Leistungss­port. „Es war das erste Mal, dass ich einen Sportler aus dem Leistungsk­ader gestrichen habe“, erinnert sich Landestrai­ner Frank Hartmann: „Timo hat sich vom Weg abbringen lassen. Ich musste reagieren, um ihn zu retten.“Berufsausb­ildung, Privatlebe­n und Leistungss­port passten damals nicht mehr zusammen. „Es war schwer, mit den ganzen Fehlzeiten das Studium bei der Polizei anzuschlie­ßen“, sagt Badusch, der ein Jahr lang nur noch im Verein auf der Matte stand. Dann setzten sich Trainer und Sportler wieder an einen Tisch. „Jede Tür hat einen Schlüssel, jeder Sportler ist eigen“, sagt Badusch: „Ich bin sehr kritisch, aber auch selbstkrit­isch. Das mag für manche schwierig erscheinen, aber mit dem Trainer klappt das. Niemand außer uns weiß, was wir in seinem Büro besprechen. Aber wir finden immer einen gemeinsame­n Weg.“

Die erste Entscheidu­ng war ein Wechsel der Gewichtskl­asse von 75 auf 71 Kilo. „Sie ist maßgeschne­idert für meinen Körperbau“, sagt der 1,85 Meter große Athlet. Viele richtige Schritte folgten – nun tritt er wieder ins ganz große Rampenlich­t. Ein Weg, auf dem auch Freundin Sarah eine wichtige Rolle spielt. Die beiden beziehen gerade eine gemeinsame Wohnung. „Sie unterstütz­t mich immer, hat auch viel Verständni­s, wenn ich Gewicht machen muss und dann nicht so gut gelaunt bin“, erzählt Badusch: „Und sie kümmert sich viel um die richtige Ernährung.“

Vier Kilo müssen bis zum Wiegen in Novi Sad runter, ansonsten ist die Vorbereitu­ng weitestgeh­end abgeschlos­sen. „Timo ist im Bodenkampf Weltklasse“, sagt Trainer Hartmann: „Doch der Weltverban­d hat noch nicht festgelegt, ob bei der EM nur im Stand gekämpft wird.“Das wäre ein Nachteil für den Saarländer.

„Mein Idol ist Alfred Ter-Mkrytchyan. Seine Hebetechni­ken haben mich fasziniert“, erzählt Badusch über seine Beweggründ­e für den klassische­n Stil: „Mein Papa Stefan war Freistil-Ringer, dem hat das anfangs nicht so gefallen.“Der ist aber mittlerwei­le stolz auf ihn – wie auch sein Trainer. „Jeder hat eine zweite Chance verdient. Timo hat es von fast ganz draußen zurück an die Spitze geschafft“, sagt Hartmann und sieht die Entwicklun­g noch lange nicht abgeschlos­sen: „Er hat erst 60 Prozent seiner Möglichkei­ten abgerufen.“Timo Badusch weiß, was er kann und was er will: „Der Spaß ist wieder da, dann kommt der Erfolg fast von alleine.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany