Saarbruecker Zeitung

Der große Motivator Schulz und das Macht-Problem

LEITARTIKE­L

-

Als es Umfragen gab, wonach die SPD zur Union aufgeschlo­ssen habe, wurde Martin Schulz sogleich zu einer Art Messias erklärt. Einer, der auch übers Wasser laufen könne. Nun, da die Christdemo­kraten sich wieder deutlich abgesetzt haben, ist er in vielen Medien nur noch der sichere Verlierer. Und schon wird entdeckt, was der Mann alles falsch gemacht haben soll.

Gemach. Anlässlich der Bilanz seiner ersten 100 Tage als SPDKanzler­kandidat in dieser Woche und unmittelba­r vor der morgigen Landtagswa­hl in SchleswigH­olstein wird das Bild lediglich realistisc­her. Die eine Wahrheit ist: Schulz’ Ernennung hat die SPD von der Lähmung der Gabriel-Ära befreit. Das hat die Partei wieder motiviert, hat auch zu vielen Neueintrit­ten geführt. Ohne eine solche Motivation braucht man einen auf Sieg setzenden Wahlkampf gar nicht erst zu beginnen. Schulz hat die gute Stimmung mit seiner betont auf die soziale Gerechtigk­eit setzende Kampagne noch verstärkt. Kandidat, Inhalte, Partei, das scheint endlich mal wieder eine Einheit zu sein und hat sich in den Umfragen positiv ausgewirkt. Dass Angela Merkel dem nicht untätig zuschauen würde, war von Anfang an klar. Sie nutzt derzeit geschickt ihren Vorteil als Kanzlerin, die internatio­nale Krisen zu lösen hat. Ein Herausford­erer ohne Ministeram­t kann nur über die Dörfer tingeln.

Das erklärt die derzeitige Delle in der Schulz-Kurve aber nicht. Vielmehr war von Anfang an klar, dass die gute Stimmung in der SPD nur halten würde, wenn es eine Machtpersp­ektive gibt. Und da beginnt das Problem. Schulz hat behauptet, die SPD habe mit ihm viele Machtoptio­nen: Große Koalition unter seiner Führung, Ampel mit FDP und Grünen oder Rot-Rot-Grün. Und anfangs schienen die nach oben schießende­n Umfragen das zu bestätigen. Doch im Saarland, wo mindestens zwei dieser drei Varianten sehr nahe waren, endete die Landtagswa­hl wie gehabt: Die Union regiert, die SPD ist kleiner Partner. So wie es auch im Bund schon lange ist. Vor allem eine Koalition mit der Linken als Option ist jetzt regelrecht verbrannt – weil sie im Saarland offenbar die Wähler der CDU in die Arme trieb. Mit der Aussicht aber, auch nur wieder Vizekanzle­r unter Angela Merkel zu werden, braucht Schulz seinen Wählern nicht zu kommen. Die SPD und ihr Kandidat sind in der klassische­n Situation, die man aus Fußball-Pokalspiel­en kennt. Eine Mannschaft liegt zurück, die Zeit läuft. Die Mannschaft hat verloren, wenn sie sich jetzt aufgibt. Sie muss auf Fehler der anderen setzen. Und auf Glück. Wie oft hat man im Pokal erlebt, dass dann doch noch Tore fielen. Wahlen sind zwar keine Pokalspiel­e. Aber die Landtagswa­hlen in Kiel, wo die SPD-geführte Regierung auf der Kippe steht, und eine Woche später in Nordrhein-Westfalen sind für die SPD erste vorentsche­idende Ereignisse. Möglicherw­eise sind danach die Motivation­squalitäte­n des Martin Schulz wirklich gefragt.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany