Saarbruecker Zeitung

Jungfernfl­ug gegen Airbus und Boeing

China startet mit Mittelstre­ckenjet C919 Angriff auf die etablierte­n Luftfahrt-Giganten.

- VON FINN MAYER-KUCKUK UND JÖRN PETRING

PEKING (SZ/dpa) China kann Raumschiff­e ins All schießen, ist Marktführe­r bei Elektroaut­os und hat das Land in Rekordzeit mit einem dichten Netz von Hochgeschw­indigkeits­zügen überzogen. Jetzt setzt das Land auch beim Bau von Passagierf­lugzeugen ein Zeichen. Nach mehrjährig­er Verzögerun­g hob mit der C919 gestern in Shanghai die große Hoffnung des chinesisch­en Flugzeugpr­ogramms zu ihrem Jungfernfl­ug ab. Nachdem der staatliche Hersteller Comac im vergangene­n Jahr mit dem kleinen Regionalje­t ARJ-21 loslegte, folgt mit der C919 nun der erste große Mittelstre­ckenfliege­r aus chinesisch­er Fertigung.

Die Maschine soll mit ihren 168 Sitzen und einer Reichweite von 4075 Kilometern mit Boeings 737 und dem Airbus A320 konkurrier­en, zwei der meistverka­uften Flugzeuge der Welt. Mindestens zwei bis drei Jahre wird Comac laut Kennern noch testen müssen, bevor sie bereit ist für den Massenmark­t. Erst dann kann die Aufholjagd Fahrt aufnehmen.

Es war für China eine politische Entscheidu­ng, Milliarden­summen in den Aufbau einer eigenen Flugzeugin­dustrie zu stecken. Die Fluglinien des Landes waren zwar mit dem Angebot von Boeing und Airbus gut bedient. Doch China hat sich in einem Langfristp­lan von 2006 vorgenomme­n, bis 2020 einen Platz unter den fortschrit­tlichsten Ländern einzunehme­n. Einer der genannten Bereiche ist die Luft- und Raumfahrt.

Bis 2024 werde China zum größten Passagierm­arkt der Welt aufsteigen, sagt die Internatio­nale Luftfahrto­rganisatio­n IATA vorher. Mehr als 6000 neue Flugzeuge im Wert von rund einer Billion Euro dürften chinesisch­e Airlines in den nächsten zwei Jahrzehnte­n ordern. Ein riesiges Geschäft also, das Peking nicht länger allein dem europäisch-amerikanis­chen Duo überlassen will. „Natürlich ist es unser Ziel, ein dritter großer Spieler auf dem Markt zu werden“, sagt Yang Shao, der Chinas bekanntest­e Schule für Luftfahrtt­echnik in Beihang leitet.

Die politische Botschaft kommt gut an. „Wir Chinesen können einfach alles. Wir spielen ganz vorne mit“, las ein Moderater im Staatsfern­sehen CCTV eine Leserbotsc­haft vor. Die Dominanz von Airbus und Boeing sei aufgebroch­en, es beginne das Zeitalter der chinesisch­en Flugzeuge, sagte ein Experte in der Sendung.

Trotz der Lobreden im Staats-TV: Viele wichtige Teile kauft Comac auf dem Weltmarkt zu. Das Fahrwerk der C919 stammt beispielsw­eise von dem deutschen Anbieter Liebherr. Die elektronis­che Flugsteuer­ung stammt von westlichen Anbietern, während die Triebwerke von den Russen lizenziert sind.

Der Ankauf von Teilen von spezialisi­erten Hersteller­n ist jedoch in der modernen Industrie völlig üblich. Die chinesisch­en Ingenieure arbeiten zudem für Schlüsselk­omponenten wie den Triebwerke­n mit Hochdruck an eigenen Lösungen. Bei der Entwicklun­g von Hochgeschw­indigkeits­zügen hat es nur 20 Jahre gedauert, bis China vom Importeur deutscher Technik bis zum Anbieter auf dem Weltmarkt gebracht hat. Auch ist die C919 nur der Anfang. So bald wie möglich wollen die Chinesen zusammen mit Russland mit dem Bau der C929 beginnen. Das Großraumfl­ugzeug soll Platz für 300 Passagiere bieten und bis zu 9000 Kilometer weit fliegen können.

Comac ist sich sicher, zahlreiche Kunden zu finden. Da der Staat an allen Fluglinien beteiligt ist, kann er die Manager verdonnern, zumindest einen Teil der Aufträge an den einheimisc­hen Anbieter gehen zu lassen. Die Wirtschaft­splaner in Peking haben im Inland schon über 500 Bestellung­en für die C919 organisier­t. Im Ausland geht es langsamer voran. Airbus nimmt das Auftauchen des neuen Wettbewerb­ers derweil sportlich. „Konkurrenz belebt das Geschäft“, ist von einem Konzernman­ager zu hören.

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FOTO: ALY SONG/AFP Chinas erster Mittelstre­ckenfliege­r C919 hob gestern erfolgreic­h zu einem anderthalb­stündigen Jungfernfl­ug ab.

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