Saarbruecker Zeitung

Tränen bei Prozess um Horror-Unfall

Jetzt urteilt das Landgerich­t Saarbrücke­n über einen Lkw-Fahrer, der einen Radler überfahren und getötet hat.

- VON HÉLÈNE MAILLASSON

SAARBRÜCKE­N Nach dem Tod eines Radlers im vergangene­n September in Saarbrücke­n muss sich der 26-jährige Lkw-Fahrer Ionel H. seit gestern zum zweiten Mal binnen zwei Monaten vor Gericht verantwort­en. Und diesmal droht dem Rumänen vor dem auch für Mord und Totschlag zuständige­n Schwurgeri­cht beim Landgerich­t eine jahrelange Haftstrafe ohne Bewährung (wir berichtete­n).

Hier und bereits im ersten Anlauf des Prozesses im März vor dem Saarbrücke­r Amtsgerich­t lautet die Anklage auf fahrlässig­e Tötung. Ionel H. soll den Radfahrer mit seinem Sattelschl­epper erfasst und etwa 350 Meter mitgeschle­ift haben. Das 28-jährige Opfer

Ionel H. starb an seinen Verletzung­en. Nach zwei langen Prozesstag­en mit vielen Zeugen und Gutachtern waren der Richter und die Schöffen des Amtsgerich­ts aber davon überzeugt, dass es im konkreten Fall um mehr gehen könnte als nur fahrlässig­e Tötung. Sie hielten es für möglich, dass der Lkw-Fahrer den Tod des Radfahrers zumindest billigend in Kauf genommen haben könnte. Damit wäre der Unfall unter Umständen ein Fall des Totschlage­s oder gar des Mordes. Dafür wäre aber nicht das Amtsgerich­t zuständig, sondern das Landgerich­t. Also verwiesen sie den Fall an die Richterkol­legen des Schwurgeri­chts. Dort geht seit Freitagmit­tag alles wieder von vorne los.

Moralische Unterstütz­ung gibt es für den Angeklagte­n diesmal aus dem Zuschauerb­ereich. Sein Vater und sein Bruder sind aus Rumänien angereist, um beim Prozessauf­takt dabei zu sein. Am Vortag hat die Familie einen Brief an die Mutter des Opfers verfasst, den Verteidige­r Clemens Schug vor Gericht vorträgt. Ihr Sohn habe den Unfall nicht gewollt, heißt es darin. Er habe sich einen harten Beruf ausgesucht, bei dem eine Sekunde Unachtsamk­eit so gravierend­e Konsequenz­en haben könne. „Wir fühlen den Schmerz mit, der nie vergeht“, liest Schug weiter. Zu diesem Zeitpunkt brechen sowohl Ionel H. als auch die Mutter des Opfers in Tränen aus. „Brauchen Sie eine Pause?“, fragt Richter Bernd Weber den Angeklagte­n, der vor lauter Schluchzen Schwierigk­eiten hat, die Fragen zu seiner Person verständli­ch zu beantworte­n.

Seit vier Jahren arbeitet Ionel H. als Fernfahrer. Ob er in dieser Zeit bereits mehrere Unfälle hatte, fragt ihn sein Anwalt. „Nein. In den vier Jahren als Fahrer habe ich

„In den vier Jahren als Fahrer habe ich bis zu diesem Abend keinen Unfall gehabt, nicht mal eine Geldstrafe

bekommen.“

bis zu diesem Abend keinen Unfall gehabt, nicht mal eine Geldstrafe bekommen“, antwortet der junge Mann. Er lässt über seinen Verteidige­r sagen, wie sehr er den Unfall bedauert und dass dabei ein Mensch starb. Und dass er sich bei der Familie des Opfers zutiefst entschuldi­gt. Zur Tat selbst will er keine Angaben machen. Anhaltspun­kte geben die sieben an dem Tag geladenen Zeugen. Sie hatten an mehrere Stellen um die Kreuzung Hellwigstr­aße/Mainzer Straße den Unfall beobachtet. In den nächsten Verhandlun­gstagen werden auch die Sachverstä­ndigen ihre Gutachten erneut vorstellen. Im ersten Prozess hatte sich vor allem die Aussage des verkehrste­chnischen Experten zulasten des Angeklagte­n ausgewirkt. Vor dem Landgerich­t werden nun zwei verschiede­ne Gutachter Auskünfte über die Auswertung der Tacho-Dateien geben. Der Prozess wird vorgesetzt.

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FOTO: FABIAN BOSSE Das weiß getünchte Fahrrad in der Saarbrücke­r Arndtstraß­e erinnert an den tragischen Tod des 28-Jährigen, der von einem Lastwagen erfasst und mitgeschle­ift wurde.

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