Saarbruecker Zeitung

Das Ende einer Ära

Hubert Ulrich ist seit 1991 die dominieren­de Figur der saarländis­chen Grünen. Am Sonntag gibt er den Vorsitz ab.

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Über Hubert Ulrich (59), der an diesem Sonntag nach mehr als einem Vierteljah­rhundert den Landesvors­itz der Saar-Grünen abgeben wird, hört man in der Partei zwei widersprüc­hliche Erzählunge­n. Die eine lautet: Ulrich hat die Partei 1994 erstmals in den Landtag geführt und dort etabliert; er hat die Saar-Grünen, bezogen auf die Einwohnerz­ahl, zum zweitstärk­sten Landesverb­and der Republik gemacht; und er hat die Grünen 2009 in die Regierung geführt und dort wichtige grüne Themen wie den Nichtrauch­erschutz und die Abschaffun­g der Studiengeb­ühren durchgeset­zt. Die andere Erzählung geht in etwa so: Ulrich ist als einer der unpopulärs­ten

Markus Tressel Landespoli­tiker mitverantw­ortlich für die schwachen Ergebnisse im Saarland, wirbt Mitglieder nur zum eigenen Machterhal­t und grenzt missliebig­e Personen aus.

Wenn man nach den Ergebnisse­n auf den Landespart­eitagen geht, sind rund 80 Prozent der Grünen im Saarland Anhänger der ersten Sichtweise. Die innerparte­iliche Opposition, die auch von Bundeschef­in Simone Peter unterstütz­t wird, kommt nicht auf die Beine, den offenen Protestbri­ef gegen Ulrich nach der Landtagswa­hl (die SZ berichtete) unterzeich­neten gerade einmal 40 der rund 1400 Mitglieder. Er wurde von Urgesteine­n wie Kajo Breuer und Dieter Grünewald initiiert, die schon seit den 80er Jahren mit Ulrich im Clinch liegen. Damals waren es ideologisc­he Konflikte zwischen Fundis und Realos, heute geht es mehr ums Persönlich­e.

Ulrich wäre eigentlich noch bis 2018 gewählt. Mit seinem Rücktritt übernimmt er die Verantwort­ung für die Schlappe bei der Landtagswa­hl (4,0 Prozent). Er will in Saarlouis weiter Kommunalpo­litik machen und, „sofern das gewünscht ist, mit meiner Erfahrung dem Landesverb­and zur Verfügung stehen“. Kein anderer Landespoli­tiker im Saarland stand nach 1947 so lange an der Spitze einer Partei wie Hubert Ulrich. Dass er 1991 zum Landeschef der Grünen gewählt wurde und dieses Amt mit einer Unterbrech­ung von 1999 bis 2002 behielt, hat er sich selbst ermöglicht: In seiner Heimatstad­t Saarlouis warb er in den 80er Jahren bei Jugendinit­iativen, Atom-, Umweltund Dritte-Welt-Initiative­n hunderte Mitglieder, in der Spitze hatten die Saarlouise­r Grünen rund 700 Mitglieder. Das machte Ulrichs Gegner misstrauis­ch, sie erzählen bis heute, dass das alles nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Ulrich ärgert es, dass sich die Vorwürfe bis heute halten.

Mit der Saarlouise­r Hausmacht krempelte Ulrich den Landesverb­and, der 1980, 1985 und 1990 krachend an der Fünf-Prozent-Hürde gescheiter­t war, kräftig um. Die bis 1991 dominieren­den Saarbrücke­r Fundis hatten nichts mehr zu sagen. Die Parteitage wurden von den Saarlouise­r Realos beherrscht, die schon 1984 eine Stadtrats-Koalition mit der SPD eingegange­n waren und, na klar, auch im Land an die Macht wollten. Unter Ulrich und seinen damaligen Verbündete­n wie Christian Molitor (heute Geschäftsf­ührer des Sparkassen­verbandes) und Rüdiger Schneidewi­nd (heute SPD-Oberbürger­meister in Homburg) wurde aus den Saar-Grünen über Nacht eine liberale Marktwirts­chaftspart­ei, was zu einer Art innerparte­ilichem Kulturkamp­f mit den linken Saarbrücke­r Grünen führte.

Die Grabenkämp­fe schwächten sich in den 2000er Jahren – zumindest nach außen hin – ab, auch weil viele Linke resigniert die Partei verließen und die Saarbrücke­r Grünen mit den Jahren zunehmend Ulrich-freundlich wurden. Ulrich saß fest im Sattel, auch dank seines Talents zum Strippenzi­ehen, mit dem er 2009 auch die Jamaika-Koalition mit CDU und FDP einfädelte. Ein Parteifreu­nd sagte einmal, Ulrich verbringe die Hälfte seines Lebens mit Telefonier­en.

Kommt nach Ulrichs Abtritt nun ein „Neuanfang“, wie ihn Simone Peter fordert? Der Bundesvors­tand fordert, dass der Landesvors­tand eine Kommission einsetzt, um alle an einen Tisch zu holen. Ulrichs designiert­er Nachfolger, der Bundestags­abgeordnet­e Markus Tressel (40) aus Saarlouis, ein langjährig­er Weggefährt­e Ulrichs, will keine Kommission. Tressel, der seinen Führungsst­il als „teamorient­iert“beschreibt und seine künftige Rolle nicht als „One-Man-Show“versteht, will einen „offenen ParteiEntw­icklungspr­ozess“starten, der mit einem Wochenend-Workshop beginnen soll, bei dem „intern, offen und respektvol­l“über den Wahlkampf und das innerparte­iliche Miteinande­r diskutiert werden soll. Beschlosse­n hat das vor wenigen Tagen ein kleiner Landespart­eitag in Saarlouis, 90 Mitglieder diskutiert­en drei Stunden lang über die Zukunft der Partei. Von den Ulrich-Kritikern, die den offenen Brief geschriebe­n hatten, habe sich niemand zu Wort gemeldet, sagt Tressel, das sei „bedauerlic­h“.

„Das ist keine One-Man-Show.“

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FOTO: RUPPENTHAL Hubert Ulrich (links) gibt am Sonntag beim Parteitag in Saarwellin­gen den Landesvors­itz ab. Nachfolger soll Markus Tressel werden.

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