Das Ende einer Ära
Hubert Ulrich ist seit 1991 die dominierende Figur der saarländischen Grünen. Am Sonntag gibt er den Vorsitz ab.
SAARBRÜCKEN Über Hubert Ulrich (59), der an diesem Sonntag nach mehr als einem Vierteljahrhundert den Landesvorsitz der Saar-Grünen abgeben wird, hört man in der Partei zwei widersprüchliche Erzählungen. Die eine lautet: Ulrich hat die Partei 1994 erstmals in den Landtag geführt und dort etabliert; er hat die Saar-Grünen, bezogen auf die Einwohnerzahl, zum zweitstärksten Landesverband der Republik gemacht; und er hat die Grünen 2009 in die Regierung geführt und dort wichtige grüne Themen wie den Nichtraucherschutz und die Abschaffung der Studiengebühren durchgesetzt. Die andere Erzählung geht in etwa so: Ulrich ist als einer der unpopulärsten
Markus Tressel Landespolitiker mitverantwortlich für die schwachen Ergebnisse im Saarland, wirbt Mitglieder nur zum eigenen Machterhalt und grenzt missliebige Personen aus.
Wenn man nach den Ergebnissen auf den Landesparteitagen geht, sind rund 80 Prozent der Grünen im Saarland Anhänger der ersten Sichtweise. Die innerparteiliche Opposition, die auch von Bundeschefin Simone Peter unterstützt wird, kommt nicht auf die Beine, den offenen Protestbrief gegen Ulrich nach der Landtagswahl (die SZ berichtete) unterzeichneten gerade einmal 40 der rund 1400 Mitglieder. Er wurde von Urgesteinen wie Kajo Breuer und Dieter Grünewald initiiert, die schon seit den 80er Jahren mit Ulrich im Clinch liegen. Damals waren es ideologische Konflikte zwischen Fundis und Realos, heute geht es mehr ums Persönliche.
Ulrich wäre eigentlich noch bis 2018 gewählt. Mit seinem Rücktritt übernimmt er die Verantwortung für die Schlappe bei der Landtagswahl (4,0 Prozent). Er will in Saarlouis weiter Kommunalpolitik machen und, „sofern das gewünscht ist, mit meiner Erfahrung dem Landesverband zur Verfügung stehen“. Kein anderer Landespolitiker im Saarland stand nach 1947 so lange an der Spitze einer Partei wie Hubert Ulrich. Dass er 1991 zum Landeschef der Grünen gewählt wurde und dieses Amt mit einer Unterbrechung von 1999 bis 2002 behielt, hat er sich selbst ermöglicht: In seiner Heimatstadt Saarlouis warb er in den 80er Jahren bei Jugendinitiativen, Atom-, Umweltund Dritte-Welt-Initiativen hunderte Mitglieder, in der Spitze hatten die Saarlouiser Grünen rund 700 Mitglieder. Das machte Ulrichs Gegner misstrauisch, sie erzählen bis heute, dass das alles nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Ulrich ärgert es, dass sich die Vorwürfe bis heute halten.
Mit der Saarlouiser Hausmacht krempelte Ulrich den Landesverband, der 1980, 1985 und 1990 krachend an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war, kräftig um. Die bis 1991 dominierenden Saarbrücker Fundis hatten nichts mehr zu sagen. Die Parteitage wurden von den Saarlouiser Realos beherrscht, die schon 1984 eine Stadtrats-Koalition mit der SPD eingegangen waren und, na klar, auch im Land an die Macht wollten. Unter Ulrich und seinen damaligen Verbündeten wie Christian Molitor (heute Geschäftsführer des Sparkassenverbandes) und Rüdiger Schneidewind (heute SPD-Oberbürgermeister in Homburg) wurde aus den Saar-Grünen über Nacht eine liberale Marktwirtschaftspartei, was zu einer Art innerparteilichem Kulturkampf mit den linken Saarbrücker Grünen führte.
Die Grabenkämpfe schwächten sich in den 2000er Jahren – zumindest nach außen hin – ab, auch weil viele Linke resigniert die Partei verließen und die Saarbrücker Grünen mit den Jahren zunehmend Ulrich-freundlich wurden. Ulrich saß fest im Sattel, auch dank seines Talents zum Strippenziehen, mit dem er 2009 auch die Jamaika-Koalition mit CDU und FDP einfädelte. Ein Parteifreund sagte einmal, Ulrich verbringe die Hälfte seines Lebens mit Telefonieren.
Kommt nach Ulrichs Abtritt nun ein „Neuanfang“, wie ihn Simone Peter fordert? Der Bundesvorstand fordert, dass der Landesvorstand eine Kommission einsetzt, um alle an einen Tisch zu holen. Ulrichs designierter Nachfolger, der Bundestagsabgeordnete Markus Tressel (40) aus Saarlouis, ein langjähriger Weggefährte Ulrichs, will keine Kommission. Tressel, der seinen Führungsstil als „teamorientiert“beschreibt und seine künftige Rolle nicht als „One-Man-Show“versteht, will einen „offenen ParteiEntwicklungsprozess“starten, der mit einem Wochenend-Workshop beginnen soll, bei dem „intern, offen und respektvoll“über den Wahlkampf und das innerparteiliche Miteinander diskutiert werden soll. Beschlossen hat das vor wenigen Tagen ein kleiner Landesparteitag in Saarlouis, 90 Mitglieder diskutierten drei Stunden lang über die Zukunft der Partei. Von den Ulrich-Kritikern, die den offenen Brief geschrieben hatten, habe sich niemand zu Wort gemeldet, sagt Tressel, das sei „bedauerlich“.
„Das ist keine One-Man-Show.“