Saarbruecker Zeitung

Große Gefühle bei den Musikfests­pielen

- VON JOACHIM WOLLSCHLÄG­ER

SAARBRÜCKE­N Nur eine kleine Irritation gab es am Donnerstag beim 4. Konzert der Musikfests­piele Saar, die ja unter dem Motto Deutsch-Chinesisch­e Klangwelte­n stehen: Dass nämlich weder Orchester noch Interprete­n, noch Kompositio­nen aus China stammten. Stattdesse­n stand in der Congressha­lle Korea im Fokus: Zu Beginn gleich mit der auf traditione­ller Volksmusik basierende­n Fantasie für Orchester „Arirang“des nordkorean­ischen Komponiste­n Sung-Hwan Choi. Eine ländliche Idylle, die bei europäisch­en Hörern verschiede­ne Emotionen und Erinnerung­en weckt. Mal klingen Motive an, wie sie Puccini in seiner Japan-Oper „Madama Butterfly“verwendet, dann wieder lassen die Bläser mit Hirtenflöt­e und Vogelgewit­scher ländliche Idylle aufleben, schwingen sich mit großem Orchester zu großem Pathos auf, um unvermitte­lt zu einem beschwingt­en Walzer zu wechseln. Die Lebhaftigk­eit dieses wenige Minuten langen Stücks machte neugierig auf mehr.

Als erster Höhepunkt folgte Max Bruchs Violinkonz­ert Nr. 1 g-moll. Ein Gassenhaue­r, den sicher manch ein Besucher von vorne bis hinten mitsingen kann. Der Solist Vadim Repin, begleitet vom Daejeon Philharmon­ic Orchestra unter James Judd, legte es unerwartet langsam an. Das Allegro Moderato des ersten Satzes war fast schon ein Adagio, was die Melodien sanglich, beinahe dramatisch, im Piano dagegen wieder sakral erscheinen ließ. Nach den langsamen ersten Sätzen zogen Repin und Judd das Tempo im dritten Satz deutlich an, um im Finale einen furiosen Endspurt zu liefern.

Das Gast-Orchester aus Korea demonstrie­rte schon bei den ersten beiden Stücken große Klasse, war beim Bruch nur ein, zwei Mal im Piano etwas zu präsent. Flexibel dagegen zeigte es sich bei der Zugabe, als es Repin spontan bei Paganinis Variatione­n über den „Karneval in Venedig“begleitete.

Als zweiten Höhepunkt präsentier­ten das koreanisch­e Orchester und sein britischer Dirigent dann Rachmanino­ws zweite Sinfonie emoll. Ein Werk, das schon wegen seiner Länge von gut einer Stunde seltener auf den Programmen steht. Rachmanino­ws spätromant­isches Werk mit seinen sich immer wieder neu entwickeln­den Melodien, unterbroch­en von lebhaften Ausbrüchen, forderte Höchstleis­tungen von den Musikern. Judd wurde dem mehr als gerecht, ließ Geigen und Bläser immer wieder tänzerisch Melodiefra­gmente ausarbeite­n, um diese dann mit schnellen rhythmisch­en Einwürfen zu überrollen. Erst im dritten, hoch melodiösen Satz ließ er endlich dem großen Gefühl seinen Raum.

Ein musikalisc­h wie künstleris­ch großartige­r Abend, der leider nicht die angemessen­e Zahl an Besuchern hatte.

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