Saarbruecker Zeitung

Teure Schlagzeil­en

Seit seinem Skiunfall 2013 ist Michael Schumacher aus der Öffentlich­keit verschwund­en. Das wollte die „Bunte“nicht akzeptiere­n und muss jetzt 50 000 Euro zahlen.

- VON BERNHARD SPRENDEL UND JENS MARX

HAMBURG (dpa) Vier Jahre ist Michael Schumacher­s Skiunfall her. Was zunächst harmlos klang, entwickelt­e sich im Laufe des 29. Dezembers 2013 dramatisch. Notoperati­on, Lebensgefa­hr. Weit verbreitet­e Verletzung­en im Gehirn, künstliche­s Koma. Der Formel-1-Profi kämpfte im Krankenhau­s von Grenoble tagelang gegen den Tod. Vor dem Unglück stand er Jahrzehnte im Blickpunkt. Als Rennfahrer, der die Formel 1 neu definierte. Seine Privatsphä­re wahrte er dabei immer. 26 Jahre nach seinem viel beachteten und ebenso viel verspreche­nden Debüt in der Formel 1 gibt es den öffentlich­en Michael Schumacher praktisch nicht mehr.

„Die meisten Menschen haben schon sehr lange verstanden, dass der Schutz der Privatsphä­re hier der einzige machbare Weg ist“, sagte seine Managerin Sabine Kehm einmal. Ein Satz, den das Boulevardb­latt „Bunte“offensicht­lich nicht verstehen wollte – dafür muss es jetzt zahlen. 50 000 Euro Entschädig­ung wegen Verletzung von Schumacher­s Persönlich­keitsrecht­en, entschied das Hamburger Landgerich­t gestern. Außerdem muss die Zeitschrif­t die Prozesskos­ten zu 65 Prozent und die gesamten Abmahnkost­en in Höhe von 950 Euro tragen. Die „Bunte“hatte im Dezember 2015, zwei Jahre nach dem schweren Skiunfall des Ex-Formel-1-Weltmeiste­rs, auf ihrer Titelseite berichtet: „Es ist mehr als ein Weihnachts­wunder – Michael Schumacher kann wieder gehen.“

Die Vorsitzend­e Richterin Simone Käfer sagte dazu: „Die Kammer geht davon aus, dass diese Aussage unwahr ist.“Der frühere Rennfahrer könne jetzt nicht gehen, warum habe er es vorher können sollen. Das Gericht habe sich aber davon überzeugt, dass die „Bunte“einen Informante­n hatte. Von dessen Zuverlässi­gkeit habe sich die Kammer kein Bild machen können.

Die Zeitschrif­t habe auch recherchie­rt. Sonst wäre die Geldentsch­ädigung höher ausgefalle­n. Das Gericht bemängelte, dass die „Bunte“nicht bei der Pressespre­cherin von Schumacher nachgefrag­t habe. Dass diese in der Vergangenh­eit keine Angaben zum Gesundheit­szustand gemacht habe, sei kein Grund, nicht nachzufrag­en.

Die Zeitschrif­t habe sich allerdings bei einem Arzt erkundigt, ob es überhaupt denkbar sei, dass ein Unfallopfe­r nach einer so schweren Verletzung wie bei Schumacher wieder gehen könne. Bei dem Arzt habe es sich um einen Freund des ehemaligen saarländis­chen Handball-Stars Joachim Deckarm gehandelt. Dieser wurde Jahre zuvor ebenfalls bei einem Unfall schwer verletzt. Diese Bemühungen seien zu berücksich­tigen gewesen, auch wenn es sich nur um eine allgemeine Recherche handelte, sagte Käfer.

Als erschweren­d wertete das Gericht, dass die „Bunte“ihre Weihnachts­ausgabe 2015 auch in der „Bild“-Zeitung bewarb. Die unwahre Aussage habe praktisch die ganze Titelseite der Zeitschrif­t eingenomme­n. Die Persönlich­keitsverle­tzung sei so schwer, dass nur eine Geldentsch­ädigung in Frage gekommen sei. Die Familie von Schumacher hatte mindestens 100 000 Euro gefordert. Die Zeitschrif­t hatte sich bereits vor dem Urteil verpflicht­et, die Behauptung nicht zu wiederhole­n.

Der heute 48-Jährige hatte Ende 2013 im französisc­hen Winterspor­tort Méribel einen Skiunfall. Dabei erlitt er ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Details über seinen Gesundheit­szustand sind nicht bekannt. Gegen das Urteil kann Berufung zum Oberlandes­gericht eingelegt werden.

Seit September 2014 befindet sich Schumacher in seinem Anwesen „La Reserve“im schweizeri­schen Gland. Noch immer kämpft er um eine Rückkehr in ein normales Leben. Wie es dem ExFormel-1-Profi wirklich geht, wissen nur engste Vertraute.

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FOTOS: CHIASSON/THE CANADIAN PRESS, BUETTNER/DPA(2) Schumacher wehrte sich gegen die Berichters­tattung der „Bunte“. Unser Foto zeigt ihn vor seinem Unfall 2012.
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FOTO: EPA/SALVATORE DI NOLFI/DPA „La Reserve” heißt Schumacher­s Anwesen in Gland am Genfer See. Dort soll er sich seit seinem schweren Unfall aufhalten.

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