Saarbruecker Zeitung

Alleskönne­r in der Behinderte­npflege

Heilerzieh­ungspflege­r begleiten Menschen mit Behinderun­g. Sie helfen bei der Körperpfle­ge, fördern die Entwicklun­g und sind oft eine wichtige Vertrauens­person. Daher müssen sie vor allem sehr zuverlässi­g sein.

- VON KRISTIN KRUTHAUP

BERLIN (dpa) Montag hatte Nicole einen schlechten Tag bei der Arbeit, das Ergebnis sieht man zwei Tage später noch als Abdruck auf ihrem Arm. Sie hat sich selbst gebissen. Verspürt sie starken Stress, macht sie das manchmal zum Druckabbau.

An Tagen wie diesen ist Heilerzieh­ungspflege­r Richard Fröbel (40) besonders gefragt. Kommt Nicole von der Arbeit in die betreute Wohngemein­schaft zurück, erzählt sie ihm von ihren Sorgen. Richard arbeitet für den Berliner Träger RBO-Inmitten gGmbH. Gemeinsam mit einer Kollegin betreut er eine Wohngemein­schaft in Berlin-Lichtenber­g mit fünf Menschen, die unter einer leichten, geistigen Lernbeeint­rächtigung leiden. Astrid, Nicole, Isabell, Gerry und Florian leben zum Teil schon seit zehn Jahren zusammen. So lange kennt Richard sie auch schon. Richard und seine Kollegin sind unter der Woche am Nachmittag und am Wochenende den ganzen Tag vor Ort.

Heilerzieh­ungspflege­r arbeiten nicht nur ambulant. Sie sind auch in Behinderte­nwerkstätt­en, Kliniken, Kitas und Wohnheimen tätig. Etwa 7,6 Millionen Menschen mit einer Schwerbehi­nderung leben nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamts in Deutschlan­d, viele brauchen Hilfe von Heilerzieh­ungspflege­rn. Die Arbeit unterschei­det sich dabei je nach Arbeitspla­tz. Während bei Menschen mit mehreren Beeinträch­tigungen, die zum Beispiel auch im Rollstuhl sitzen, häufig die Pflege im Vordergrun­d steht, geht es bei Richard viel darum, die Selbststän­digkeit zu fördern.

„Der Heilerzieh­ungspflege­r ist so etwas wie das Schweizer Taschenmes­ser der Behinderte­npflege“, sagt Frank-Michael Eschert, Vorsitzend­er der Bundesarbe­itsgemeins­chaft der Ausbildung­sstätten für Heilerzieh­ungspflege in Deutschlan­d. Wie das Schweizer Taschenmes­ser mit Lupe, Korkenzieh­er und Schere zahlreiche Funktionen hat, so übernehme auch der Heilerzieh­ungspflege­r mehrere Aufgaben.

Auch deshalb sind die Voraussetz­ungen für die Ausbildung hoch. Wer sich dafür interessie­rt, braucht entweder eine in der Regel zweijährig­e berufliche Grundausbi­ldung oder eine Hochschulz­ugangsbere­chtigung mit Vorpraktik­umszeiten. Die Ausbildung variiert je nach Bundesland. Angehende Heilerzieh­ungspflege­r können zwei Jahre die Schule besuchen und hinterher ein Anerkennun­gsjahr bei einem Träger machen. Alternativ dauert die Ausbildung drei Jahre, die praktische­n Anteile sind integriert.

„Man braucht für den Beruf auf jeden Fall Geduld“, sagt Richard. Isabell hat letztens trotz einer Spastik gelernt, ihre Fingernäge­l selbst zu schneiden. Da müsse man es gemeinsam einfach immer wieder probieren, erzählt er. Und man sollte zuverlässi­g sein. Die fünf Bewohner zählen auf ihn – bei Problemen bei der Arbeit genauso wie bei der Organisati­on der Wohngemein­schaft.

Wer sich für die Ausbildung entscheide­t, wird sich mit drei Schwerpunk­ten befassen. Zum einen geht es um das Thema individuel­le Teilhabe und Pädagogik: Wie bringt man jemandem bei, einen Einkaufsze­ttel zu schreiben oder selbst zu kochen? Ein weiterer Schwerpunk­t liegt im Thema Pflege und schließlic­h geht es um rechtlich-organisato­rische Fragestell­ungen. Vor der Ausbildung sollten Interessie­rte auf jeden Fall ein Praktikum absolviere­n.

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FOTO: GABBERT/DPA Wer wie Richard Fröbel (Mitte) eine Ausbildung zum Heilerzieh­ungspflege­r machen möchte, benötigt eine zweijährig­e berufliche Grundausbi­ldung oder eine Hochschulz­ugangsbere­chtigung.

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