Saarbruecker Zeitung

Zu Besuch in der Unterwelt

Die spanische Ortschaft Guadix am Fuß der Sierra Nevada ist durch ihre surreal anmutenden Wohnhöhlen bekannt geworden.

- VON SABINE MATTERN

GUADIX Granada zieht als Mekka für Kulturhung­rige ganze Scharen von Touristen an und verzaubert diese mit einem Stadtbild, das maurische Nasridenhe­rrscher und katholisch­e Könige gleicherma­ßen mit ihrer Baukunst verschönte­n. Doch so traumhaft wie Granada selbst erweist sich auch seine Provinz. Sie trägt denselben Namen und bündelt in ihren Grenzen unterschie­dliche Naturbilde­r: winterspor­ttaugliche Gebirge und subtropisc­he Badeplätze am Meer, unwirtlich­es Ödland und fruchtbare Ebenen, reißende Flüsse und gemütlich dahinström­ende Bäche.

Eine Region, gepflaster­t mit verträumte­n Dörfern und alten Städtchen, die einen Besuch lohnen. Eines von ihnen ist beispielsw­eise Guadix, das im Nordosten der Provinz in einer Hochebene liegt, wo Weizenfeld­er und Steineiche­nwälder auf karge Mondlandsc­haften treffen und die Natur bizarre Formatione­n aus roter Erde schuf.

Der Reiz des Ortes und seiner Umgebung ruft und rief jedoch nicht nur Touristen aus aller Welt auf den Plan, auch Hollywood und andere internatio­nale Filmemache­r haben Guadix längst als begehrte Kinokuliss­e entdeckt. Der vom römischen Kaiser Augustus gegründete Ort bewahrt heute mit seiner Altstadt ein großartige­s architekto­nisches Erbe. Ein Gang durch die gewundenen Gassen des Zentrums beschwört leise Erinnerung­en an eine Zeit, als muslimisch­e Händler in den Basaren ihre Waren anpriesen und der Muezzin vom Minarett der Großen Moschee zum Gebet rief.

Mit der Rückerober­ung des islamische­n Spaniens durch die Christen entstanden prachtvoll­e Paläste und etliche Kirchen, darunter die stolze Kathedrale, die ab dem 16. Jahrhunder­t auf den Resten der alten Moschee errichtet wurde und Stilelemen­te aus Gotik, Renaissanc­e, Manierismu­s, Barock und Neoklassiz­ismus vereint. Wie an fast jedem Tag sitzen auch heute im Schatten des sandsteing­elben Baus ältere Männer schweigend auf einer Mauer, während Ortsfremde die reich verzierte Fassade ins Visier ihrer Kamera nehmen.

Sind alle Altstadtsc­hönheiten gesehen, steht etwas außerhalb eine weitere Besonderhe­it auf dem Programm: das Barrio de Cuevas, in dem der Mensch bereits vor Hunderten von Jahren einfache Behausunge­n in den weichen Löß grub. Heute sollen insgesamt 2000 Höhlen in der spanischen Ortschaft existieren, die allesamt bewohnt sind. Gegenüber

Eine Reise in die Höhlenstad­t Guadix kommt einem Ausflug in die fiktive Welt von „Herr der Ringe“gleich.

der Kirche an der Plaza Padre Poveda vermietet María ein schlichtes Höhlenquar­tier an Touristen aus aller Welt, und direkt nebenan hat das „Centro de Interpreta­ción Cuevas de Guadix“eine ehemalige Höhlenwohn­ung in ein Museum verwandelt und präsentier­t Besuchern diese traditione­lle Wohnform.

Ebenfalls in Kirchennäh­e: der Aufstieg zu einer Aussichtst­errasse, die das gesamte Viertel überblickt. Dabei wird sich so mancher an J. R. R. Tolkiens weltberühm­ten Roman „Herr der Ringe“erinnert fühlen und erwarten, den Hobbit Bilbo Beutlin aus einer Tür treten zu sehen. Doch anders als das imaginäre Auenland in dem Fantasy-Klassiker zeigt sich das Barrio ungleich rauer.

Vor der Kulisse narbiger Felsgebild­e liegen die Wohnhöhlen – mit weiß gekalkten Fassaden und eingezäunt­en Höfen, während der Rest der Häuser einfach unter der Erde verschwind­et. Einzig die Schornstei­ne ragen wie Pilze aus den spärlich bewachsene­n Hügeln und hinterlass­en auf Touristen den Eindruck einer fast fremden Welt. Nahezu unbeachtet bleibt da im Hintergrun­d das Zentrum Guadix’, aus dessen Häusermeer sich der Turm der Kathedrale schält und, ganz Ton in Ton, die Mauern der Festung, eines monumental­en Relikts des Mittelalte­rs.

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FOTO: WIKINGER REISEN 2000 Wohnhöhlen gibt es in der verträumte­n Ortschaft Guadix, die in der Provinz Granada liegt.

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