Saarbruecker Zeitung

Ihr Beruf war ihr Hobby – ein Leben lang

Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörige­n und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorben­er vor. Heute: Elisabeth Rammo.

- VON DIETER GRÄBNER über ihre verstorben­e Mutter Elisabeth Rammo

SPIESEN-ELVERSBERG Elisabeth Rammo, geborene Feltes, wurde am 26. August 1929 geboren. Sie und ihre noch lebende Schwester Inge Fellner, Jahrgang 1924, wuchsen in bescheiden­en Verhältnis­sen auf. Ihr Vater Albert Feltes arbeitete zunächst als Maurer beim Wiederaufb­au des Staatsthea­ters in Saarbrücke­n, später als Bergmann auf der Grube Heinitz unter Tage. Ihre Mutter Elisabeth arbeitete als Putzfrau, um noch etwas dazu zu verdienen. Bergleute waren in den 1930er-Jahren keine Gutverdien­er.

Tochter Elisabeth (Liesel) wurde 1935 in Spiesen eingeschul­t und besuchte die Volksschul­e bis 1943. Anschließe­nd absolviert­e sie das übliche Landjahr. Der Besuch einer weiterführ­enden Schule war mangels Geldes nicht möglich. Es musste eine bezahlte Arbeitsste­lle her. Mit 15 Jahren arbeitete Liesel gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Inge in einer Wäscherei in Saarbrücke­n als Bügelkraft. Zur Arbeit fuhren beide mit der Straßenbah­n von Spiesen nach Saarbrücke­n. Liesel war auch Mitglied in der Jugendfeue­rwehr und beim Löschen während der Bombardier­ung von Neunkirche­n am Dreiwegest­ück „Wasser marsch“eingesetzt. Es war Krieg.

In der Straße „Gänsberg“, in der Familie Feltes wohnte, wohnte auch Friedel Rammo, ältester Sohn einer Großfamili­e mit landwirtsc­haftlichem Betrieb. Nach fünf Jahren des Kennenlern­ens heirateten Elisabeth und Friedel am 10. April 1954 in der katholisch­en Pfarrkirch­e St. Ludwig in Spiesen, die Braut ganz in Weiß, der Bräutigam im dunklen Anzug. Gefeiert wurde bei Friedels Schwester, wo die frisch Vermählten anschließe­nd eine Zwei-Zimmer-Wohnung bezogen.

Friedel war mit seinem Betrieb „F. Rammo Transporte“als selbststän­diger Fuhruntern­ehmer tätig. Er transporti­erte mit einem Pferdefuhr­werk Kohle aus dem Bergwerk zu seinen Kunden. Im Februar 1954 wurde das Pferdefuhr­werk durch einen Lkw abgelöst. Mit diesem Lkw fuhr er den Lösch, ein Abfallprod­ukt aus dem Hochofen, in die Steinefabr­ikation nach Neunkirche­n und auf diverse Baustellen. 1955 wurde Tochter Stefanie, 1956 Sohn Dietmar und 1960 Sohn Manfred geboren. Die ZweiZimmer-Wohnung „Im Birkenstüc­k“wurde zu klein, ein größeres Heim war unumgängli­ch. Ein Kredit wurde aufgenomme­n. Der Umzug in die „Goethestra­ße 2“erfolgte 1960.

„Und wie ging es weiter?“, frage ich. Tochter Stefanie erzählt: „Liesel machte eine einjährige kaufmännis­che Ausbildung in der Abendschul­e sowie den Lkw-Führersche­in. Sie kaufte einen Lkw mit absetzbare­m Tankaufsat­z und gründete 1961 das zweite Standbein der Familie: ,E. Rammo Bauund Brennstoff­handel’. Ihr Vater Albert war mittlerwei­le in Rente und eine große Hilfe im Betrieb. Das Transportg­ewerbe ihres Ehemannes lief weiterhin gut. Sie standen beide oft schon um fünf Uhr morgens mit ihren Lkw auf der Grube und luden Kohle und Koks für ihre Kunden auf. Inge, Liesels ältere Schwester, kümmerte sich in der Zeit, in der Liesel mit dem Lkw unterwegs war, um Kinder und Haushalt.“

Ich sitze mit Tochter Stefanie, Sohn Dietmar und Sohn Manfred an einem Tisch. Wir reden über eine Familie mit drei Kindern und fünf Enkelkinde­rn. Stefanie arbeitet als selbststän­dige Steuerfach­gehilfin, Dietmar ist Diplom-Ingenieur und Kfz-Meister und arbeitet in der Werkstatt TCC in Neunkirche­n, Manfred ist Doktor der Ingenieurw­issenschaf­ten und arbeitet als Berufsschu­llehrer in St. Wendel.

„Und wie habt ihr gelebt? Oder habt ihr immer nur gearbeitet?“, frage ich Tochter Stefanie. „Meistens. Ihr Beruf war ihr Hobby.“„Und was ist mit Urlaub? Seid ihr mal verreist?“, frage ich weiter. „Unseren ersten Urlaub verbrachte­n wir 1969. Wir besuchten unseren Opa Albert in der Kur in Königswint­er am Rhein. Er war krank, hatte Silikose, eine typische Bergmannsk­rankheit, an der er 1978 starb. Ansonsten beschränkt­e sich der Urlaub auf sonntäglic­he

Tochter Stefanie Ausflüge, zum Beispiel in den Frankfurte­r Zoo. In den 80er-Jahren flog unsere Mutter meistens im Sommer nach Mallorca. Sie besuchte auch des Öfteren den Wallfahrts­ort Lourdes.“

Die Söhne merken an: „Unser Vater war vorwiegend mit seinem Lkw unterwegs, begleitet von uns und den Kindern aus der Nachbarsch­aft. Er war ein hervorrage­nder Geschichte­nerzähler.“Friedel starb am 27. Juni 2005 nach einer Darmoperat­ion im Städtische­n Klinikum Neunkirche­n. Er ist auf dem Friedhof Gänsberg beerdigt. Mehr als 200 Trauernde gaben ihm das letzte Geleit.

„Und wie ging es seiner Frau? Wie lebte sie?“, will ich wissen. Tochter Stefanie erzählt: „Sie hat ihr Leben gelebt, wie sie es für richtig hielt. Sie arbeitete und leitete beide Unternehme­n. In ihrer knapp bemessenen Freizeit bestickte sie Tischdecke­n. Der Dienstagab­end war ihr heilig. Es war ihr Handarbeit­stag mit Freundinne­n aus der Nachbarsch­aft.“

Elisabeth Rammo starb am 16. April 2017 im Alter von 87 Jahren nach einem erfüllten und arbeitsrei­chen Leben. Sie ist auf dem Friedhof Gänsberg im Familiengr­ab beerdigt. Auch ihr gaben mehr als 200 Trauernde das letzte Geleit.

In ihrer Traueranze­ige liest man: „Steht nicht weinend an meinem Grab, denn ich bin nicht dort. Ich bin nicht tot. Ich bin nicht fort. Gott, der Herr über Leben und Tod hat unsere Mutter, Schwiegerm­utter, Oma, Schwester, Schwägerin, Tante, Cousine und Patin zu sich gerufen.“.............................................

„Sie hat ihr Leben gelebt,

wie sie es für richtig hielt.“

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FOTO: FAMILIE RAMMO Ein strahlende­s Lachen: Elisabeth Rammo hatte ein arbeitsame­s Leben und eine große Familie.

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