Saarbruecker Zeitung

Wie schlimm sind die Hygiene-Mängel in Saar-Kliniken?

Experten fürchten, dass Händewasch­en und Desinfizie­ren im stressigen Klinikallt­ag im Saarland zu kurz kommen.

- VON CHRISTINE KLOTH

SAARBRÜCKE­N Die hohe Arbeitsbel­astung von Pflege-Personal in saarländis­chen Krankenhäu­sern hat der Berufsverb­and der Hygiene-Inspektore­n SaarLorLux mit „großer Sorge“aufgenomme­n. „Wie kann eine Pflegekraf­t bei einem so immensen Arbeitsdru­ck und Dokumentat­ionsaufwan­d die im Krankenhau­s notwendige­n Hygiene-Maßnahmen angemessen umsetzen?“, fragt Henning Adam, Sprecher des Verbandes. Der Verbund, dem derzeit 40 Mitglieder aus den Gesundheit­sbehörden der Großregion angehören, reagiert damit auf ein Interview unserer Zeitung vom 28. April. Die saarländis­che Krankensch­wester Tanja (Name von der Redaktion geändert) schilderte darin ihre katastroph­alen Arbeitsbed­ingungen. Sie beschrieb unter anderem, dass sie nachts alleine für mehr als 40 zum Teil schwer kranke Patienten auf einer Station zuständig ist. „Man kann interpreti­eren, dass da wenig Zeit für die notwendige­n Hygiene-Maßnahmen bleibt“, sagt Adam, der selbst als Hygiene-Inspektor seit Jahren in Krankenhäu­sern unterwegs ist. Er kennt ähnliche Schilderun­gen von Pflegekräf­ten aus seinem Alltag. Wenn eine Krankensch­wester die notwendige­n Maßnahmen zur Händedesin­fektion adäquat beachtet, rechnet er vor, nehme dies pro Tag zwei Stunden der Arbeitszei­t in Anspruch. Wichtige zwei Stunden. Denn: Fast eine Million (fünf Prozent) von insgesamt 19,2 Millionen stationäre­n Patienten in Deutschlan­d erkranken während ihres Klinikaufe­nthaltes laut der Deutschen Gesellscha­ft für Krankenhau­shygiene (DGKH) an einer Infektion. Studien „belegten eindrückli­ch den Zusammenha­ng eines nicht adäquaten Personalsc­hlüssels in Kliniken und dem Auftreten dieser Infektione­n während eines Krankenhau­s-Aufenthalt­es“.

Nicht nur Gesundheit­s- und Krankenpfl­eger stünden unter einem enormen Arbeitsdru­ck, sagt Henning Adam, gleiches gelte für Reinigungs­kräfte im Krankenhau­s, die innerhalb festgelegt­er Zeiten ihre Arbeiten erledigen müssten. In der Tat hat eine Umfrage der DGKH ergeben, dass sich in den vergangene­n Jahren „die so genannte Flächenlei­stung für Reinigungs­personal mehr als verdoppelt hat, so dass die vorgegeben­e Leistung in der Zeiteinhei­t bei nicht angepasste­m Personalau­fwand nicht mehr realistisc­h erbracht werden kann“. Inakzeptab­el sei dabei auch die in Krankenhäu­sern vielfach geübte Praxis der Sichtreini­gung an Wochenende­n, bei der

Personal Patientenz­immer nur dann reinigt, wenn sie sichtbar verschmutz­t sind. Eine Praxis, die laut einer aktuellen Krankenhau­sbefragung von SR.de unter den 22 Kliniken im Saarland fast gängig ist.

Zwar verfügen die saarländis­chen Krankenhäu­ser nach Auffassung des Berufsverb­andes der Hygieneins­pektoren SaarLorLux über einen „sehr hohen Hygiene-Standard“. Allerdings: „Hygiene im Krankenhau­s ist eine sehr individuel­le Sache. Es kommt sehr darauf an, wie kooperativ die Mitarbeite­r sind, ob sie ein Bewusstsei­n für die Maßnahmen haben – oder unter welchem Arbeitsdru­ck sie stehen.“Und/oder unter welchem Kostendruc­k die Klinik steht. Die DGKH beklagt seit Jahren, dass Kliniken aus Konkurrenz­druck im Bereich Hygiene und Reinigung zu viel sparen. Die Mehrheit der Krankenhäu­ser hat den Reinigungs­bereich mittlerwei­le ausgelager­t. Die OnlineUmfr­age ergab, dass auch im Saarland nur sieben der 22 Krankenhäu­ser – wenigstens in Teilen – eigens angestellt­e Reinigungs­kräfte beschäftig­en.

„Outsourcin­g von Reinigungs­leistungen in Risikobere­ichen wie Intensivst­ationen oder OP-Abteilunge­n“, sagt Dr. Peter Walger, Vorstand der DGKH, im Gespräch mit unserer Zeitung, „sehen wir sehr kritisch“. Denn es könne zu Lasten der Qualität gehen, wenn nicht mehr angestellt­e Mitarbeite­r des Krankenhau­ses, sondern solche von externen Firmen oder Tochterfir­men diese sensiblen Bereiche übernehmen. Hygiene-Inspektor Henning Adam: „Ein Festangest­ellter identifizi­ert sich viel mehr mit dem Haus und seinem Leitbild als das ein Externer tun kann.“Wie unsauber die Qualität ausgelager­ter Hygiene-Dienstleis­tungen im Extremfall sein kann, hat man an den SHG-Kliniken Völklingen erlebt. „Vor Jahren hatten wir die Sterilisat­ion von OP-Instrument­en outgesourc­t. Angeblich steriles OP-Besteck kam noch blutverkru­stet hier wieder an. Daraufhin haben wir natürlich das Outsourcin­g durch teure Investitio­nen wieder rückgängig machen müssen“, erklärt Dr. Franz Hausinger, Krankenhau­shygienike­r in den SHG-Kliniken. Sie haben heute eine hausintern­e Abteilung für die Reinigung, die der Hauswirtsc­haft unterstell­t ist. Hausinger: „Die sensiblen Bereiche wie OP oder Intensivst­ation reinigen unsere Angestellt­en. Ich weiß im Gegensatz zur Arbeit mit einer externen Firma genau, wer mein Ansprechpa­rtner ist, habe persönlich­e und kurze Informatio­nswege und damit eine gute Kontrolle.“

„Outsourcin­g von Reinigungs­leistungen in Risikobere­ichen (...) sehen wir sehr kritisch.“

Dr. Peter Walger

Vorstand Deutsche Gesellscha­ft für Krankenhau­shygiene

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FOTO: DPA Neben den Pflegekräf­ten hat auch das Reinigungs­personal in Krankenhäu­sern häufig mit gestiegene­m Zeitdruck zu kämpfen.
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