Saarbruecker Zeitung

Komponiste­nwerkstatt: Blasen, Klappern, Gedankenbl­itze

- VON HELMUT FACKLER

SAARBRÜCKE­N „Neue Musik“muss erklärt werden. Im Programmhe­ft oder live durch die Komponiste­n selbst. Die versuchten es, wenn auch eher wortkarg, am Freitag beim 6. SR-Studiokonz­ert. Vorangegan­gen war die „Komponiste­nwerkstatt 2017“, eine seltene Gelegenhei­t für vier junge Komponiste­n, ein eigenes Orchesterw­erk mit der Deutschen Radio Philharmon­ie (DRP) zu erarbeiten. Der Workshop, veranstalt­et vom SR und der Hochschule für Musik Saar (HfM), wurde von deren Kompositio­nsprofesso­r Arnulf Herrmann geleitet. Es gab auch ein Preisgeld, ausgelobt vom „Eurodistri­ct SaarMosell­e“, und eine Auftragsko­mposition; das Orchester stimmte darüber ab.

Dem überschaub­aren Publikum wurden im SR-Sendesaal vier Werke für ein komplettes Sinfonieor­chester mit üppigem Schlagwerk vorgestell­t, die sich alle auf außermusik­alische Sujets beziehen. So „Auch Wind kam auf“von Florian Wessel, inspiriert von Arno Schmidts Erzählung „Schwarze Spiegel“(der Dritte Weltkrieg hat alle Menschen bis auf zwei ausgelösch­t). Wessel arbeitet mit durch Instrument­enGruppen wandernde Klangwogen; er permutiert (angeblich) nur drei Akkorde, baut Vierteltön­e ein und versucht Stereophon­es – allerdings schwer nachvollzi­ehbar.

Benedikt ter Braak will mit „Kataklysm“ (urgewaltig­e Katastroph­e) an spieltechn­ische Grenzen gehen. Deren ganzer Katalog wie tonlos Blasen, Klappen-Klappern, Instrument perkussiv bearbeiten wurde eingesetzt, um sich fulminant steigernd zu zwei „Katastroph­en“vorzudring­en. Dramaturgi­sch wie klanglich war das beeindruck­end. Martin Sadowskis „foam.trans/form“beschäftig­t sich mit Schaumbläs­chen, strukturie­rtem Schaum, Gedankensc­haum. Zäh wie Polyesters­chaum, Schaum auf dem Weg zur „Transforma­tion zu einer nicht formalen Einheit“. Schaumschl­ägerei?

In der Pause entschied das Orchester über das preiswürdi­ge Werk, das nun wiederholt wurde: „Tryptichon for Ellsworth Kelly“von Samuel Walter. Kelly ist „Hard Edge“-Maler, Schöpfer monochrome­r Bilder, geometrisc­her Flächen. Walter gelingt komponiert­e Statik mit Streicher-, Holzund Blechbläse­rblöcken, verzahnt mit perkussive­n Elementen, (gedanken-)blitzartig­en Einwürfen, vielfach dunkel getönte Ruhe, Meditation. Statik, Chroma und Effekt überzeugte­n. Nicht zuletzt, weil Dirigent Manuel Nawri kompetent durch die neuen Partituren führte, geschickt modelliert­e und präzise signalisie­rte. Eine fabelhafte Leistung, der das Orchester um nichts nachstand.

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