Der neue Mann und seine Herkules-Aufgabe
Auf den jungen Schultern des französischen Staatschefs Macron ruhen gewaltige Hoffnungen – nicht nur im eigenen Land.
PARIS (afp/SZ) Die Vorschusslorbeeren für Emmanuel Macron sind immens: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt zum Beispiel, auf den neu gewählten französischen Präsidenten blicke ganz Europa. Er trage „die Hoffnung von Millionen von Franzosen“und auch „von vielen Menschen in Deutschland“. Eine große Last ruht nun auf Macrons jungen Schultern. Der 39-Jährige soll nicht nur dazu beitragen, die EU aus dem Brexit-Schock zu führen. Er will auch die wirtschaftliche Lähmung seines Landes überwinden und die tief gespaltene Nation einen. Eine Herkulesaufgabe für einen Mann, der zum ersten Mal in ein politisches Amt gewählt wurde – und dann gleich als französischer Staatschef, dessen Macht in der EU beispiellos ist.
Ein wenig erinnert Macron an den früheren US-Präsidenten Barack Obama. Dieser erhielt gleich zu Beginn seiner Amtszeit den Friedensnobelpreis und mühte sich dann jahrelang, den Erwartungen gerecht zu werden. Zweifellos hat Macron als jüngster Staatschef Frankreichs einen Platz in den Geschichtsbüchern sicher. Französische Medien zollten ihm dafür Tribut. Die Wirtschaftszeitung „Les Echos“lobte Macron als „Anti-Trump“, der die Rechtspopulistin Marine Le Pen mit 66,1 Prozent der Stimmen deutlicher als erwartet in die Schranken wies.
Macron selbst wirkte gestern vor allem ermattet. Bei seinem ersten offiziellen Auftritt zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs schloss er am Pariser Triumphbogen neben dem scheidenden Staatschef François Hollande kurz die Augen und bekam sie nur mit Mühe wieder auf. Das wundert nicht, nach seinem Marathon-Wahlkampf.
Die größten Herausforderungen aber liegen noch vor ihm: Macrons wichtigste Aufgabe wird es sein, das stark gespaltene Land zu einen und zugleich überfällige Reformen anzuschieben. Viele Wähler aus dem linken Lager sehen in dem früheren Investmentbanker einen Freund des Großkapitals, der den Sozialstaat abschaffen will. Viele Konservative fordern dagegen härtere Reformen und null Toleranz für Islamisten. Ganz zu schweigen von den Anhängern Le Pens, die seinen EU-freundlichen Kurs ablehnen. Auf diese Wähler ging er bereits am Wahlabend bei seiner Siegesfeier vor dem Louvre zu, die er symbolisch mit der Europahymne einläutete.
Unterdessen bastelt der neue Mann im Elysée an seinem künftigen Kabinett, das er spätestens am Montag bekannt geben will. Darunter werden sicher einige der „Macron Boys“sein, wie die meist jungen Männer genannt werden, die Macron seit Monaten umgeben. Alexis Kohler gehört dazu, der frühere Bürochef, der neuer Generalsekretär werden soll. Zusammen mit Kohler dürfte Macron auch andere Youngster mit in den Elysée nehmen – wie etwa die „graue Eminenz“seiner Bewegung „En Marche“, den erst 30 Jahre alten Ismaël Emelien.
Nur noch 15 Minister soll es im Kabinett Macron geben, darunter die Hälfte Frauen. Auch die verschiedenen politischen Strömungen
sollen vertreten sein – gemäß dem Motto von „En Marche“, das sowohl rechts als auch links sein will. Offen ließ Macron, ob er eine Frau zur Premierministerin machen könnte. Falls doch, hat Sylvie Goulard gute Chancen. Die Europaabgeordnete der Zentrumspartei Modem wäre für Deutschland eine gute Nachricht, denn die energische 52-Jährige spricht fließend Deutsch.
Während er seine Mannschaft bildet, hat Macron auch schon weitere Termine vor der Brust. Am Sonntag zieht er in den Elysée ein. Und kurz darauf ist ein Antrittsbesuch geplant – bei Angela Merkel.