Saarbruecker Zeitung

Ein frischer Wind aus Nord bringt Merkel zum Lächeln

Nach der Wahl in Schleswig-Holstein ist die Union obenauf, und plötzlich wird die lange geschmähte Jamaika-Koalition zur Option – auch im Bund.

- VON HAGEN STRAUSS Produktion dieser Seite: Pascal Becher Frauke Scholl, Joachim Wollschläg­er

BERLIN Für echte Fröhlichke­it sind im Konrad-Adenauer-Haus der CDU die Getreuen von Angela Merkel zuständig. Zum Beispiel Kanzleramt­sminister Peter Altmaier: „Was für ein schöner Tag“, grinst der Saarländer. „Wer hätte das vor drei Monaten gedacht?“Am Tag nach der Schleswig-Holstein-Wahl ist die Union obenauf. Nur die Vorsitzend­e versucht, möglichst cool zu bleiben.

Vor wenigen Wochen wirkte die Kanzlerin noch müde und zermürbt. Und jetzt steht Merkel vorne auf dem Podium als indirekte Siegerin der letzten beiden Landtagswa­hlen im Saarland und in Schleswig-Holstein. Sehr selbstsich­er, sehr aufgeräumt. Ihr Nachbar auf der Bühne, der kecke CDU-Spitzenkan­didat Daniel Günther, ist da anders: Er spricht sogar von einem „Merkel-Effekt“, der ihm als Polit-Nobody im Wahlkampf geholfen habe. Da muss die Kanzlerin grinsen. So schnell dreht sich der Wind.

Denn auch diejenigen, die Merkel zuletzt kritisiert hatten, geben sich nach dem Triumph im hohen Norden nun plötzlich kleinlaut. In Schleswig-Holstein punktete die Union vor allem mit Landesthem­en, wie auch Merkel betont. Das soll beim weit wichtigere­n Urnengang in Nordrhein-Westfalen am Sonntag ebenso der Fall sein. Merkel rät, dort vor allem das zu thematisie­ren, was der SPD-geführten Landesregi­erung nicht gelungen sei – „und das ist viel“. Schon länger redet die Union in NRW nur noch über fehlende Polizisten, einen SPD-Innenminis­ter als Sicherheit­srisiko und über die hohe Zahl an Einbrüchen. Flankiert von der Bundes-CDU mit einer Debatte über die Leitkultur. Das hat Strategie. Unter dem Strich lässt sich ablesen, was im Bundestags­wahlkampf zentral für die Union werden wird. Bei Merkel, so die Botschaft, ist man in unruhigen Zeiten gut aufgehoben.

Freilich hat die Kanzlerin in den letzten Wochen dem Schulz-Hype immer widerstand­en, während andere in der CDU nervös wurden. Ob sie Schulz noch ernst nehme, wird sie gefragt. Etwas überrascht antwortet Merkel: Jeder SPD-Herausford­erer, „auch Martin Schulz, ist eine Aufgabe. Da hat sich überhaupt nichts geändert durch das Ergebnis einer Landtagswa­hl“.

Durchaus positiv wird bei der CDU noch etwas anderes gesehen: Die Debatte über eine Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP hat seit Sonntag eine besondere Dynamik erhalten. Die FDP scheint dafür geschmeidi­g genug zu sein. Ihm komme es darauf an, dass es nach der Wahl ein Paket gebe „das auch unsere Handschrif­t trägt“, erklärt Parteichef Christian Lindner. Den Grünen stehen mit Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt zwei Realos vor, was die Sache einfacher macht. Kurzum: Was im Norden möglich ist, könnte eventuell auch eine Option für die Zeit nach der Bundestags­wahl sein.

„Landtagswa­hl ist Landtagswa­hl, und Bundestags­wahl ist Bundestags­wahl.“

Kanzlerin Angela Merkel (CDU)

bremst die Euphorie im Unions-Lager „Es kommt darauf an, dass es ein Paket gibt,

das auch unsere Handschrif­t trägt.“

FDP-Chef Christian Lindner

über die Jamaika-Option

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