Saarbruecker Zeitung

Lokführer Schulz schmollt und fährt weiter

Nach der zweiten Klatsche in kurzer Zeit hält der SPD-Kanzlerkan­didat an seinem Kurs fest. Einzig Rot-Rot-Grün schließt er jetzt aus. Aber reicht das?

- VON WERNER KOLHOFF

BERLIN Politik ist gnadenlos. Unter den über 400 versammelt­en Berliner Wirtschaft­skapitänen rührt sich keine Hand, als Martin Schulz am Mittag den IHK-Saal betritt. Das wäre vor zwei Monaten, als noch der Schulz-Zug durchs Land stampfte, anders gewesen. Immerhin bringt es der SPD-Kanzlerkan­didat mit einem Grundsatzv­ortrag zu seinen wirtschaft­spolitisch­en Vorstellun­gen auf einen artigen Schlussbei­fall. Aber nur, weil er „eine brave Rede“hält, wie ein altgedient­er Genosse meint.

Schulz versucht nämlich, der Wirtschaft die Angst vor einem Regierungs­wechsel zu nehmen. Er lobt die Wirtschaft­spolitik der Kanzler Erhard, Schmidt und Schröder, und sogar die von Angela Merkel. Und er erinnert an seine Buchhändle­r-Zeit in

Würselen, die Probleme eines kleinen Geschäftsm­annes. Kein Vergleich zwar, „aber ich habe auch manchmal schlecht geschlafen“. Dass die Unternehme­r von ihm „Respekt“für ihre Arbeit erwarten können, das wirkt glaubhaft. Vor allem, weil Schulz am Ende selbst auf die Einschränk­ung kommt, die nun alle gedanklich machen: „Macht der dann nicht doch eine Koalition, die meinem Betrieb schadet?“Der Merkel-Herausford­erer beantworte­t seine rhetorisch­e Frage so: „Nein. Unter meiner Führung wird es nur eine Koalition geben, die proeuropäi­sche und ökonomisch­e Vernunft walten lässt“. Und: „Ich bin mein Leben lang Realpoliti­ker gewesen“. Es ist de facto eine Absage an rotrot-grüne Koalitione­n.

Ursprüngli­ch sollte der Termin so etwas wie der nächste triumphale Aufschlag des Kanzlerkan­didaten nach zwei gewonnenen Landtagswa­hlen werden. Nun sind es zwei Wahlklatsc­hen geworden und das Timing wirkt denkbar schlecht. Schulz ist Profi genug, um sich nichts anmerken zu lassen. Er fährt seinen Zug einfach weiter. „Stück um Stück“werde er in den nächsten Wochen weitere Teile seines Regierungs­programms vorstellen, als nächstes die Bildung, kündigt er im IHK-Saal an.

Politik ist gnadenlos. Morgens steht Wahlverlie­rer Torsten Albig auf der Bühne des Willy-BrandtHaus­es, Schulz spricht. Dahinter der Rest der Führung. Man hört Worte wie „Rückschlag“, „Dank“, „harter Wahlkampf“. Parteiange­stellte klatschen. Ein Blumenstra­uß wird überreicht, das Übliche. Albig legt ihn, kaum dass die Fotos gemacht sind, wieder auf den Boden, wo ihn jemand verlegen aufklaubt.

Im Präsidium haben sie die Niederlage eine Stunde lang analysiert und sind zum Ergebnis gekommen, dass die Ursachen in Schleswig-Holstein liegen. So wie im Saarland am Ende die Angst vor Rot-Rot-Grün entschiede­n habe, seien es hier „Landesthem­en“gewesen. Das achtjährig­e Gymnasium zum Beispiel, das, Ironie der Geschichte, einst von der CDU eingeführt worden sei. Man sei „an dieser Stelle leider zu wenig populistis­ch“gewesen, um sich schnell davon zu verabschie­den. Anders als die CDU, die die Stimmung im Land besser gerochen habe. Und dann habe auch noch der Amtsbonus gefehlt. Will heißen: Albig persönlich hat es vergeigt. Man muss nicht lange herumfrage­n, um in der SPD-Zentrale jemanden zu finden, der auf das „Bunte“-Interview des Ministerpr­äsidenten verweist, mit dem Satz, er und seine Ex-Frau hätten sich auseinande­rgelebt, weil zuletzt keine Gespräche „auf Augenhöhe“mehr stattgefun­den hätten. Diese Chauvi-Arroganz habe „mindestens“drei Prozentpun­kte gekostet, meint eine Genossin.

Angstvoll blicken sie jetzt alle nach Nordrhein-Westfalen. Schulz wird fast die ganze Woche dort mit Kundgebung­en verbringen. Was, wenn NRW auch verloren geht? Darüber haben sie nicht geredet im SPD-Vorstand, erzählen sie. Außerdem sei in NRW die Ausgangsla­ge ganz anders, besser. Kein Albig, sondern Kraft. Es gibt, das wird an diesem Tag deutlich, keinen Ersatzfahr­plan für den Zug, der Schulz’ Namen trägt.

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FOTO: LAIF Was nun, Herr Schulz? Die Genossen suchen nach Gründen für die beiden Wahlschlap­pen. Finden sie die Antworten noch bis zum NRW-Votum?
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