Saarbruecker Zeitung

Die Toten Hosen und die Vergänglic­hkeit

- VON TOBIAS KESSLER

SAARBRÜCKE­N „Der letzte Sand fällt durch die Uhr“singt Campino, in einem anderen Stück fragt er: „Wie viele Jahre kann das so weitergehe­n?“. Schließlic­h stellt er fest: „Der Tod schaut durch mein Fenster und lacht mich an.“Endzeitsti­mmung bei den Toten Hosen? Oder mindestens eine schwere Midlife-Krise bei den Düsseldorf­er Punkrocker­n?

In den fünf Jahren seit dem vorigen Studioalbu­m „Ballast der Republik“ist im Umfeld der Band einiges geschehen: Jochen Hülders, Hosen-Manager seit 1982, starb 2015; Wolfgang „Wölli“Rohde, bis 1999 Schlagzeug­er der Band, der er eng verbunden blieb, starb 2016. Kein Wunder, dass sich da ein Hauch Endlichkei­t durch die Texte des neuen Albums „Laune der Natur“zieht. Das Stück „Eine Handvoll Erde“etwa beschreibt die Beerdigung des Managers; textlich ganz konkret („Jetzt sind es nur noch hundert Schritte, die wir gemeinsam gehen“), ist es musikalisc­h eine der besten Nummern des Albums: anfangs karg instrument­iert, mit einer sich stetig steigernde­n Spannung – und damit anders als das Gros des Albums, das sich dem bewährten Hosen-Punkrock voller Mitgröhl-Refrains widmet.

Der gelingt druckvoll, wenn auch textlich vage, bei „Pop & Politik“, das Kollegen mit „peinlicher Musik“empfiehlt, „die Fresse zu halten, wenn Ihr nichts davon versteht“(da hätte man gerne ein paar Namen gehört). Rasant ist auch Auftakt „Urknall“, in dem sich die Band nach den weniger lukrativen, aber vielleicht etwas einfachere­n Anfangstag­en sehnt: Die goldenen Schallplat­ten werden verbrannt, „die Pyrotechni­k von Rammstein aufgekauft“, und zurück geht es auf den „Bolzplatz“. Da wären die Hosen

der gerne wieder eine kleine Band ohne Marketing-Brimborium. Nur: Niemand hat sie gezwungen, das neue Album in mehreren Sonderund Deluxe-Editionen anzubieten, auf dass der treue Fan mehrfach zugreife.

In den schwächere­n Momenten bieten die Hosen wenig mehr als kompetente­n Stadtfestr­ock, zum Fäustereck­en, gute Routine mit „heyheyhey“- oder „hohoho“Refrains. Der Tiefpunkt ist das balladeske „Alles passiert“, seicht und fast schon Rock-Schlager.

Aus dem Rahmen fällt das Finale „Kein Grund zur Traurigkei­t“: Aus einer Solo-Aufnahme des verstorben­en „Wölli“Rohde destillier­ten die Hosen dessen Gesang und spielten die Musik neu ein. Das Ergebnis ist eine lässig gebrummte Ballade mit den Zeilen „Ich hab’ Blut von Dir im Herzen/ das ist alles, was mir bleibt“. Da ist Johnny Cash nicht weit weg. ............................................. Die Toten Hosen: Laune der Natur

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