Hoch lebe die Wollmaus
KOLUMNE SO KANN’S GEHEN
Wollmäuse sind bäh, darin dürften sich alle Hausfrauen und -männer dieser Welt einig sein. Diese staubigen Fusselknäule, die sich in Ecken, unter Betten und Schränken verstecken und beim leistesten Windhauch auf Wanderschaft quer durch den Raum gehen, tun der Gemütlichkeit nicht gut. Sie gehören bekämpft, der Sauger muss ran, sofort.
Im Prinzip. Aber ich habe jetzt gelernt, Wollmäuse zu lieben. Voller Sympathie schaue ich ihnen beim Flitzen zu. Gucke entspannt auf Krümel, Lehmbrösel, Sägespäne – harmloses, freundliches Zeug. Denn ich habe einen ernsthaften Gegner kennengelernt: feinsten, weißen Staub.
Er kam von einer Baustelle im Haus, das Badezimmer wurde renoviert. Komplett, Leitungen und Fliesen inklusive; die Handwerker rückten mit schwerem Werkzeug an, mit Bohrer, Pickhammer und Co. Sie machten sorgsam die Türen zu, verstopften sogar Schlüssellöcher – den Abbruchstaub scherte das nicht. Er kam durch. War allgegenwärtig. Fein und weiß schwebte er in der Wohnungsluft, präzise sichtbar im Sonnenschein. Fein und weiß legte er sich auf Tische, Stühle, Fußböden, auf Bücher und Schuhe, drängelte sich in Schränke und Schubladen. Und nach ausgiebigem Sauger- und Wischtuch-Einsatz drehte er mir eine Nase: Fein und weiß rieselte er von Decken und Wänden nach.
Die Gemeine Wollmaus hingegen ist weg, wenn sie weg ist. Sie kennt keine Tücke. Ich mag sie.