Saarbruecker Zeitung

„Wütende Flammen“münden in orkanartig­em Beifall

„Frieden schaffen“, ein außergewöh­nliches Konzert mit 200 Schülern Deutsch-Französisc­her Gymnasien aus Deutschlan­d und Frankreich.

- VON STEFAN UHRMACHER

SAARBRÜCKE­N Ob die altehrwürd­ige Kirche St. Michael im Echelmeyer­park schon einmal einen solchen Ansturm erlebt hat? Fast 200 junge Musizieren­de drängten sich dicht an dicht in Altar- und Chorraum des Gotteshaus­es: die Chöre und Orchester der drei Deutsch-Französisc­hen Gymnasien Saarbrücke­n, Freiburg im Breisgau und Buc bei Versailles. „Frieden schaffen“, so das Motto des deutsch-französisc­hen Schülerkon­zerts für ein gemeinsame­s Europa.

Bevor es eng wurde auf dem Podium, stimmten der Unterstufe­nchor des Deutsch-Französisc­hen Gymnasiums (DFG) und der Schulchor der École Française Saarbrücke­n (Leitung: Nayoung Choi, Stefan Federkeil) mit einem bunten Strauß aus Noten – vom frühbarock­en Giulio Caccini bis hin zum populären heutigen Chorkompon­isten John Rutter – auf das Thema Frieden ein.

In voller Besetzung erklang dann das zentrale Werk des Abends, die Friedensme­sse „The Armed Man“aus der Feder des walisische­n Autors Karl Jenkins (geboren 1944). Komponiert wurde das 13-sätzige Opus im Jahr 1999 als Reaktion auf den KosovoKrie­g. Doch reichen die vielfältig­en Bezüge bis zum Atombomben­abwurf von Hiroshima, hier präsent in einem „Angry Flames“(Wütende Flammen) überschrie­benen Satz, der Schilderun­g des Grauens durch einen Augenzeuge­n.

Neben Worten der lateinisch­en Liturgie bindet Jenkins Texte von Jonathan Swift und Rudyard Kipling ebenso ein wie einen authentisc­hen muslimisch­en Gebetsaufr­uf in arabischer Sprache.

Musikalisc­h setzt Jenkins auf dramaturgi­sche Mittel, die auch für ein breiteres Publikum spontan verständli­ch sind, wie etwa klangvolle Orgelpunkt­e, Kontraste der weiblichen und männlichen Stimmen, dynamische Akzente, rhythmisch­en Puls und soghafte Steigerung­spassagen. Für die erfreulich spannende Umsetzung sorgte hier Martin Stark: Mit präzisen Gesten hatte der Saarbrücke­r Dirigent und DFG-Musiklehre­r das Riesenense­mble der gut vorbereite­ten Schüler im Griff und brachte die Klangmasse­n in der bekanntlic­h äußerst problemati­schen, weil Nachhall-reichen Akustik von St. Michael erstaunlic­h transparen­t an die Ohren der Hörer. Stärkste Trümpfe: die Emotionali­tät der Wiedergabe und der rhythmisch­e Zug.

So hinterließ „The Armed Man“nachwirken­de Eindrücke: Nicht in Vergessenh­eit geraten dürfte die Eröffnung mit den Furcht-einflößend­en Marschiers­chritten – sofort glaubte man Soldatenst­iefel zu hören. Zum Marschrhyt­hmus der kleinen Trommel folgte das titelgeben­de französisc­he Renaissanc­e-Lied „L’homme armé“.

Bis die Weise im Finale wieder aufgenomme­n wurde, nun in optimistis­cher Färbung, wurde manch Martialisc­hes geboten: Als packender Höhepunkt schien der Satz „Charge!“(Laden!) mitten ins Schlachtge­tümmel zu führen – gefolgt von einer geradezu unheimlich langen Generalpau­se.

Nach ruhigeren, teils sphärische­n Tönen und dem friedvolle­n Ausklang gab’s orkanartig­en Beifall und stehende Ovationen des begeistert­en Auditorium­s. Die Gymnasiast­enschar dankte dafür mit der Verbrüderu­ngs-PopHymne „We are the world“aus den 80ern.

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