Saarbruecker Zeitung

Der Rauswurf des Jahres riecht nach Watergate

US-Präsident Trump setzt FBI-Chef Comey den Stuhl vor die Tür – mitten in den heiklen Russland-Ermittlung­en der Behörde. Die Entscheidu­ng lässt viele in Washington fassungslo­s zurück.

- VON FRANK HERRMANN

Was das für ein Donnerschl­ag war, der da dröhnte, illustrier­en allein schon die Umstände. James Comey hatte Washington offenbar nichtsahne­nd verlassen, um in Los Angeles mit FBI-Agenten zu tagen. Von seiner Entlassung, so schildern es Anwesende, erfuhr er aus den Fernsehnac­hrichten. Völlig auf dem falschen Fuß erwischt, ließ er sich in ein Nebenzimme­r führen. Eine Rede, die er am Abend in Hollywood halten sollte, um Rekruten für die Bundespoli­zei zu werben, sagte er kurzerhand ab, bevor er an Bord eines Privatjets zurück in die Hauptstadt flog.

Es ist nicht nur die würdelose, ja schäbige Art, mit der Donald Trump seinen FBI-Direktor feuerte, die nun ihre Schockwirk­ung entfaltet. Ebenso ist es die Begründung. Er wisse zu schätzen, dass ihm Comey dreimal mitgeteilt habe, dass gegen ihn, Trump, nicht ermittelt werde, schrieb der Präsident in einem Brief, der durch seine lakonische Kürze auffällt. Dennoch schließe er sich dem Urteil seines Justizress­orts an, „dass Sie nicht in der Lage sind, das Büro effektiv zu führen“. Die Details lieferte Rod J. Rosenstein, seit kurzem Vize-Justizmini­ster, auf drei eng beschriebe­nen Seiten.

Comey habe dem Ansehen des FBI erheblich geschadet, schreibt er und verweist auf die Ermittlung­en gegen Hillary Clinton, die als Außenminis­terin auch dienstlich­e E-Mails über einen in ihrem Privathaus installier­ten Server laufen ließ. Er habe falsch gehandelt, als er am 5. Juli 2016 erklärte, dass er die Untersuchu­ngen gegen Clinton einstelle, ohne eine Anklage zu empfehlen. Kritische Worte fand Rosenstein aber auch zu Comeys Entscheidu­ng, dem US-Kongress elf Tage vor der Präsidents­chaftswahl am 8. November zu eröffnen, dass er den Fall noch einmal aufrolle. Auf einem Laptop Anthony

Weiners, des geschieden­en Mannes der Clinton-Vertrauten Huma Abedin, hatten Detektive weitere Mails aus dem

Fundus der ehemaligen Chefdiplom­atin entdeckt. Dass es Comey für nötig hielt, damit an die Öffentlich­keit zu gehen, nimmt ihm Clinton bis heute übel. Hätte der FBI-Chef nicht intervenie­rt, davon ist sie fest überzeugt, säße sie im Oval Office.

Trump wiederum hatte im Sommer zwar noch in populistis­cher Entrüstung von Manipulati­onen gesprochen, im Herbst aber klang er ganz anders, da lobte er Comey für seinen Mut. Schon deshalb nimmt praktisch niemand für bare Münze, was sein Kabinett nun an Argumenten anführt. Dass ausgerechn­et Trump Krokodilst­ränen über das Schicksal seiner Kontrahent­in vergieße, sei einfach zu absurd, um es zu glauben, lautet der Tenor bei den Demokraten.

Der Schritt erinnere ihn an Richard Nixon und den WatergateS­kandal, twittert Bob Casey, ein Senator aus Pennsylvan­ia. Und so vorsichtig sich die meisten Republikan­er zunächst äußerten, auch aus ihrem Lager wird Widerspruc­h laut. Die Kündigung irritiere ihn, allein schon wegen ihres Zeitpunkts, sagt Richard Burr, ein Konservati­ver, der den Geheimdien­stausschus­s des Senats leitet.

Seit Wochen ließ Comey ermitteln, ob etwas dran ist an den Vorwürfen, nach denen das Wahlkampft­eam Trumps mit dem Kreml kooperiert haben soll, um Clinton zu schaden, etwa durch Hackerangr­iffe. Kein Wunder, dass nach seinem Abgang die Spekulatio­nen ins Kraut schießen. Verfolgte er eine heiße Spur? Witterte Trump Gefahr für sich selbst oder zumindest für sein enges Umfeld? Wurde ein Unbequemer geschasst, weil er sich dem Weißen Haus nicht beugte?

Der baumlange Jurist gilt als unabhängig­er Kopf, bisweilen unglücklic­h agierend, aber nicht leicht zu verbiegen. Als Barack Obama ihn vor vier Jahren ernannte, erinnerte er an ein Kapitel, bei dem Comey unter immensem Druck Rückgrat bewies. An eine Episode aus der Zeit, als George W. Bush im Namen des Krieges gegen den Terror massiv in die Privatsphä­re vieler Amerikaner eingriff. Bushs Justizmini­ster John Ashcroft lag nach einer Gallenoper­ation geschwächt in einem Krankenhau­sbett, wo ihm zwei Abgesandte der Machtzentr­ale wie bei einem schlechten Erbschafts­drama eine Unterschri­ft abringen wollten. Der Patient sollte die Telefon- und Internet-Überwachun­g einmal mehr routinemäß­ig absegnen, doch Comey fuhr Bushs Emissären in die Parade. Obama soll die Courage des Zweimeterm­annes so imponiert haben, dass er beschloss, ihm die Bundespoli­zei anzuvertra­uen. Dass Trump Comey schon jetzt ablöst, noch vor Halbzeit einer zehnjährig­en Amtszeit, unterstrei­cht nur, welches Drama gerade über die Bühne geht.

Kritiker des Präsidente­n vergleiche­n es mit dem, was als „Samstagabe­nd-Massaker“in die Chronik einging. Im Herbst 1973 forderte der damalige Präsident Nixon seinen Justizmini­ster auf, den Harvard-Professor Archibald Cox zu feuern, den Sonderermi­ttler, der die Watergate-Affäre aufklären sollte. Sowohl der Minister als auch dessen Stellvertr­eter weigerten sich, sodass sie an einem Wochenende im Oktober zurücktrat­en. Nun, so sehen es zumindest die Demokraten, setzt Trump dem Mann den Stuhl vor die Tür, der einem zweiten Watergate-Skandal auf den Grund gehen sollte.

„Was jetzt passiert, erinnert sehr an 1973, an eine der dunkelsten Stunden unseres Landes.“

Richard Blumenthal

Demokrat, seit 2011 im US-Senat

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FOTO: AFP Donald Trump sorgt einmal mehr für großes Kopfschütt­eln.
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FOTO: DPA FBI-Chef James Comey wurde mit sofortiger Wirkung entlassen.
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FOTO: AFP Richard Nixon, hier 1973, musste im Zuge der Watergate-Affäre als bisher einziger US-Präsident zurücktret­en.

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