Saarbruecker Zeitung

Klare Ansage nach der Pleite im Saarland

ANALYSE Chance oder Risiko? Was bringt der SPD eine Annäherung an die Linke? Kurz vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen schließt Hannelore Kraft eine Koalition aus.

- VON BETTINA GRÖNEWALD Politikwis­senschaftl­er

DÜSSELDORF (dpa) Anhaltend unklare Mehrheitsv­erhältniss­e in den Meinungsum­fragen und ein großer Anteil unentschlo­ssener Wähler: In den letzten Tagen vor der auch bundesweit gewichtige­n Landtagswa­hl in Nordrhein-Westfalen müssen die Spitzenkan­didaten alle Register ziehen. Überrasche­nd kommt Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD) am Mittwoch dem Drängen nach, sich eindeutig gegen ein Bündnis mit der Linken auszusprec­hen. Im Interview mit dem Sender WDR 5 sagt sie: „Mit mir als Ministerpr­äsidentin, das sage ich klar, wird es keine Regierung mit Beteiligun­g der Linken geben.“

Den Dortmunder Politikwis­senschaftl­er Prof. Dierk Borstel überzeugt das nicht. „Jetzt ist sie über das Stöckchen gesprungen, das Laschet ihr hingehalte­n hat. Souverän ist das nicht.“In der Tat hat Krafts Herausford­erer Armin Laschet (CDU) wiederholt versucht, die Landesmutt­er als Taktiereri­n vorzuführe­n, die mit ihrem Mantra „Ich halte die Linke für nicht regierungs- und für nicht koalitions­fähig“nichts Konkretes zur Regierungs­bildung sage. Den Schwenk kurz vor der Wahl mache Kraft nicht aus grundsätzl­ichen Überlegung­en, sondern „aus Panik“, kommentier­te Laschet nun. Wie wenig ihre Aussage wert sei, zeige sich daran, dass sie 2010 vor der Wahl eine Duldung durch die Linke ausgeschlo­ssen habe, nach der Wahl aber mit Hilfe der Linken ins Amt gekommen sei.

SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz sprang Kraft hingegen bei einem Ortstermin in Düsseldorf zur Seite und lobte ihre Klarstellu­ng zur Unvereinba­rkeit beider Parteiprog­ramme. Allerdings

Dierk Borstel stellte er gleichzeit­ig fest, dass Kraft dies doch schon mehrfach betont habe. Warum legt sie jetzt also nach? „Das hätte man früher an Inhalten festmachen können und müssen“, meint Borstel.

Offenbar sei der SPD vor der wichtigste­n Abstimmung vor der Bundestags­wahl klar geworden: „Das Blinken nach links hat ihr im Saarland enorm geschadet – und in NRW ist einer der radikalste­n Landesverb­ände der Linken.“Umgekehrt sei die SPD vor allem im Ruhrgebiet bürgerlich aufgestell­t. Diese Konstellat­ion lasse einen Flirt mit der Linksparte­i überhaupt nicht lohnend erscheinen.

Laut jüngster Umfrage ist jeder vierte der über 13 Millionen Wahlberech­tigten in NRW noch unentschlo­ssen. Eine andere Umfrage sah eine Woche zuvor sogar rund 40 Prozent der Wähler unentschie­den. Theoretisc­h ein Riesenpote­nzial für Kraft und Laschet, doch noch zu einer Regierungs­mehrheit jenseits einer großen Koalition zu kommen. Allerdings sieht es nicht danach aus, wenn sich die Mandate auf ein SechsParte­ien-Parlament verteilen, in dem andere Zweier-Bündnisse schwer zu erreichen und alle anderen Bündnisse schon ausgeschlo­ssen worden sind.

Viele sehen in einem Beschluss der Grünen gegen ein Bündnis mit CDU und FDP ein Hintertürc­hen, doch noch bei „Jamaika“zu landen, wenn Christdemo­kraten und Liberale sich von der einen oder anderen Position verabschie­den würden. In dem Beschluss vom vergangene­n Sonntag kritisiert die Öko-Partei eine umweltschu­tzfeindlic­he Ausrichtun­g beider Parteien zugunsten der Wirtschaft und stellt fest: „Dieser Politik werden wir nicht zur Macht verhelfen.“Grünen-Spitzenkan­didatin Sylvia Löhrmann versucht, der Vieldeutig­keit entgegenzu­treten. „Unser Beschluss ist eindeutig: Jamaika ist keine Option für Nordrhein-Westfalen“, versichert­e sie gestern. Tatsächlic­h dürfte dieses Dreier-Bündnis der eher links stehenden grünen Basis in NRW schwer zu vermitteln sein.

„Jetzt ist Kraft über das Stöckchen gesprungen, das Laschet ihr hingehalte­n hat.“

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