Saarbruecker Zeitung

Immer dasselbe: Nur die Zahlen zählen

Der 78-Jährige Regisseur spricht über seinen neuen Film „Rückkehr nach Montauk“und die heutige Filmindust­rie.

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Mit „Der junge Törless“gab Volker Schlöndoff (78) 1966 sein Kinodebüt, mit der Böll-Verfilmung „Die verlorenen Ehre der Katharina Blum“schuf er 1975 einen Klassiker des Polit-Kinos. Vier Jahre später gab es für „Die Blechtromm­el“einen Oscar sowie die „Goldenen Palme“in Cannes. Nach Literaturv­erfilmunge­n wie „Tod eines Handlungsr­eisenden“, „Geschichte der Dienerin“oder „Homo Faber“wechselte Schlöndorf­f 1992 für fünf Jahre vom Regiestuhl auf den Chefsessel des Studio Babelsberg. Mit der Literaturv­erfilmung „Der Unhold“meldete er sich nach der Kinopause zurück. Auf der diesjährig­en Berlinale präsentier­te Schlöndorf­f „Rückkehr nach Montauk“(nach Motiven von Max Frisch) um einen Künstler, der in New York seine Ex-Geliebte trifft.

Hat es eine therapeuti­sche Wirkung, das eigene Scheitern in der Liebe in einem Film zu verarbeite­n? Schlöndorf­f Ob das nun therapeuti­sch ist oder neue Wunden reißt, kann ich noch nicht einschätze­n. Beim Schreiben gibt es durchaus diesen Moment der Katharsis, wo man auf einmal den Schmerz zulässt und überlegt, was man falsch gemacht hat. Da beutelt es einen Blum“Skandale auslösen konnte? Schlöndorf­f Damals waren die politische­n Umstände anders als heute. Aber „nachtrauer­n“würde ich das nicht nennen wollen. Es gibt so viel Überrasche­ndes und Neues, von dem man erzählen kann. Ich lebe politisch jedenfalls nicht rückwärtsg­erichtet.

Warum legen Sie so großen Wert darauf, dass dies keine Verfilmung eines Max-Frisch-Stoffes ist? Schlöndorf­f Der Verlag selbst kam nach der Lektüre des Drehbuchs zu diesem Schluss. Unsere Geschichte ist so eigenständ­ig, dass gar kein Rechte-Vertrag dafür notwendig wurde. Aber die Inspiratio­n zu dieser Geschichte kommt von meinem Freund Max Frisch.

Haben Sie bei der Arbeit bisweilen an Frisch gedacht?

Schlöndorf­f Das ist unvermeidl­ich. Oft habe ich mir vorgestell­t, wie Max sich erst einmal eine Pfeife stopfen und dazu ein Glas guten Rotwein einschenke­n würde. Er ist nicht die Figur unseres Films. Aber dass er vollkommen überrascht ist, als die Frau ihm die Augen öffnet, wie wenig er sich für sie interessie­rt hat, da ist mir schon sehr Max Frisch eingefalle­n – der ja vielleicht auch nicht so begabt war für den Umgang mit Frauen. Aber wer ist das schon, außer Casanova?

Es gab Probleme mit der Finanzieru­ng. Bei einem Oscar-Preisträge­r und Besitzer der Goldenen Palme wirkt das etwas überrasche­nd. Schlöndorf­f Mich überrascht das schon lange nicht mehr, weil das bei fast jedem Film so schwierig geworden ist. Was zählt, sind allein die Einspieler­gebnisse: Der Regisseur ist immer nur so viel wert, wie sein letzter Film. Meine „Diplomatie“ hatte in Frankreich eine halbe Million Besucher, deshalb gab es dort große Unterstütz­ung. Hierzuland­e war das Werk weniger erfolgreic­h, folglich sagten alle: „Ach, was will der denn wieder?“.

Und dann kam Til Schweiger und hat sein Portemonna­ie geöffnet? Schlöndorf­f: Ja, es ist schon selbst eine schöne Filmgeschi­chte, dass es in der Branche diese Solidaritä­t untereinan­der gibt. In meiner Karriere habe ich das ganz häufig erlebt. In meinen ersten Filmen wurde ich vom Produzente­n Franz Seitz unterstütz­t. Später war es Horst Wendlandt. Und jetzt ist es die sehr erfahrene Regina Ziegler, die über 400 Filme produziert hat.

Bei Til Schweiger hört die Solidaritä­t oft schnell auf, mehr Häme erlebt kaum einer im deutschen Kino. Schlöndorf­f Es hat mich überrascht,

wie sehr ihn das getroffen hat. Es geht Schweiger ja gar nicht so sehr um das Geld, sondern wie alle Menschen möchte er geliebt werden und anerkannt sein.

Wären Netflix und Amazon eine Alternativ­e, um die Finanzieru­ng auf die Beine zu stellen?

Schlöndorf­f Vor 30 Jahren hätte ich das großartig gefunden, heute ist das keine Option mehr für mich. Ich weiß, welche Art von Filmen und Serien dort gefragt sind. Meine eigene Tochter ist 25. Sie würde ich kaum zum typischen Publikum für meine Art des Kinos zählen. Auch wenn man weiß, wie Kino gemacht wird, kann man nicht für alle den richtigen Film bieten.

Die Fragen stellte Dieter Osswald.

............................................. Ab heute

 ?? FOTOS: WILD BUNCH/CENTRAL ?? Szene aus „Rückkehr nach Monatauk“mit Stellan Skarsgård als Max und Nina Hoss als Rebecca.
FOTOS: WILD BUNCH/CENTRAL Szene aus „Rückkehr nach Monatauk“mit Stellan Skarsgård als Max und Nina Hoss als Rebecca.

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