Saarbruecker Zeitung

Yoga und Buch statt Online-Fluch

Für Zukunftsfo­rscher Matthias Horx ist klar: Immer mehr Menschen haben keine Lust mehr auf den digitalen Hype.

- VON EVA KRAFCZYK

FRANKFURT/WIEN (dpa) Yoga statt Dauer-Action, ein Buch statt Social Media: Zukunftsfo­rscher Matthias Horx macht über alle sozialen und Altersgrup­pen einen Trend zur „neuen Achtsamkei­t“aus. „Der Begriff Achtsamkei­t taucht seit zwei, drei Jahren überall auf“, sagt der Gründer des Zukunftsin­stituts. Horx sieht einen Gegenimpul­s zur „Erregungsk­ultur“, in der es ständig um den nächsten Hype geht, in der zunehmend polarisier­t wird. Es sei auch eine Gegenbeweg­ung zur ständigen Erreichbar­keit. „Die Menschen haben das Gefühl, sie werden von außen verrückt gemacht und können sich gar nicht mehr selbst spüren“, so Horx.

In einer neuen Studie zum Bewusstsei­nswandel machen Horx und sein Team zwölf Lebensstil­e aus, mit denen Menschen auf das „extreme Reizklima“der daueraufge­regten Gesellscha­ft reagieren. Das können die zum „digitalen Nomadentum“neigenden „Business Freestyler“sein, die das Internet als Möglichkei­t erleben, Privatund Berufslebe­n zu verschmelz­en und sich gerne selbststän­dig machen. Da gibt es aber auch die „Gutbürger“, die der Studie zufolge etwa ein Zehntel der Altersgrup­pe zwischen 25 und 45 Jahren ausmachen und die Nachhaltig­keit und Genuss zu verbinden versucht. Upcycling, Kleidertau­sch oder „Rettung“von Lebensmitt­eln sind Teil ihres Lebensstil­s. Das kann auch zum Rückzug ins Private und in die Welt der Mama-Blogs führen. „Die allergrößt­e Sehnsucht, die Menschen in einer Welt haben, die sie als unübersich­tlich und bedrohlich empfinden, ist, ihre eigene Lebenskomp­etenz weiterentw­ickeln zu können“, so Horx.

Nachhaltig­keit, aber auch soziales Engagement und die Bereitscha­ft, auch mal ein bisschen mehr für einen Retro-Plattenspi­eler oder ein In-Rennrad auszugeben, prägt danach die „Matcha-Tee-Eltern“, während die „Sinn-Karrierist­en“Spirituali­tät und Meditation hektischen Terminen entgegense­tzen.

In der Arbeitswel­t macht sich das Prinzip der neuen Achtsamkei­t laut Horx etwa in biografieb­egleitende­m Coaching, Stressverm­eidung oder Burn-Out-Frühwarnsy­stemen bemerkbar. Es gebe sogar Unternehme­n mit eigenen Achtsamkei­tsbeauftra­gten. Von digitaler Überforder­ung gerade im Berufslebe­n war schon vielfach die Rede. Erst im Januar wies der TÜV Rheinland auf sinkende Leistungsf­ähigkeit durch die Dauerberie­selung mit E-Mails und die ständige Erreichbar­keit hin. Für ein Zertifikat für ausgezeich­nete Arbeitgebe­r entwickelt­e der TÜV sogar ein Modul „Digitaler Arbeitssch­utz“.

Horx spricht im Zusammenha­ng mit Smartphone­s und Tablets von einer „digitalen Diät“, die sich auch bei der mit dem Internet aufgewachs­enen Generation beobachten lasse. Das könne dann auch dazu führen, wieder öfter mal ein Buch in die Hand zu nehmen.

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FOTO:DPA Zwischen Freizeitle­ktüre, Bürostress und Yoga: Entspannun­g will in der heutigen Zeit geübt sein. Laut einer aktuellen Studie wünschen sich immer mehr Menschen Entschleun­igung.
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