Appell an Menschlichkeit
Neu im Kino: „Das Ende ist erst der Anfang“von Bouli Lanners – Ein belgischer Gangsterfilm
Dass die Welt bald untergehen wird, davon sind der Ausreißer Willy (David Murgia) und seine Freundin Esther (Aurore Broutin) fest überzeugt. Und schaut man sich die Welt in „Das Ende ist erst der Anfang“des belgischen Regisseurs Bouli Lanners auf der Leinwand an, sind solch pessimistische Prognosen durchaus nachvollziehbar. Aus den dünn besiedelten Landschaften des nordfranzösischen Beauce filtert Lanners ein vorapokalyptisches Setting von dunkler Schönheit. Der winterliche Wind fegt über die riesigen abgeernteten Felder. Die wenig befahrenen Straßen führen schnurgerade durch den flachen Landstrich. Verfallene Lagerhäuser zeugen von längst vergangenen, besseren Zeiten. Die Wolken wandern schwer und dunkel über den Himmel und lassen die Sonne nur in fahlgrauen Lichtsäulen hindurch.
Wie eine nördliche Western-Landschaft wird die Gegend in Szene gesetzt. Die Männer reiten hier jedoch nicht mit Pferden durch die Wüste, sondern rasen mit dicken Pick-Ups über den staubigen Asphalt. Zwei von ihnen sind Gilou (Bouli Lanners) und Cochise (Albert Dupontel) – Auftragsganoven aus der Stadt, die für einen Gangsterboss ein verloren gegangenes Handy ausfindig machen sollen, auf dem sich kompromittierendes Videomaterial befindet. Zwei wortkarge, unrasierte Gesellen. Männer fürs Grobe, mit denen man sich nicht anlegen möchte. Typen wie aus einem Tarantino-Film entsprungen, aber die schon bald im Verlauf des Films alle Esther und Willy sind schwer verliebt und gemeinsam aus einem Behindertenheim geflüchtet. Harte-Männer-Klischees hinter sich lassen werden.
Das Mobiltelefon, das sie suchen und eine Pistole sind im Besitz von Willy und Esther, die aus einem Behindertenheim geflüchtet sind und sich auf die Suche nach Esthers Tochter gemacht haben. Handy und Knarre wechseln im Verlauf des Filmes mehrfach den Besitzer und verweben die Figuren miteinander. Sogar ein Mann namens Jesus greift einmal zur Waffe um einen Schutzlosen zu retten. In einer mäandernden Dramaturgie und versetzt mit religiösen Motiven erzählt dieser vorapokalyptische Gangsterfilm von den kleinen Momenten der Hoffnung und Veränderung, in denen die Figuren in der verwahrlosten Welt ihre Menschlichkeit wiederentdecken. „Das Ende ist erst der Anfang“ist ein Film, der mehr erspürt als erklärt werden will. In betörender Cinemascope-Melancholie zieht er das Publikum in seine Tristesse hinein, um die menschlichen Regungen in diesem Untergangsszenario genauer zu untersuchen.
Frankreich/Belgien 2016, 98 Min., Regie: Bouli Lanners, Darsteller: Bouli Lanners, Albert Dupontel, Aurore Broutin.